Eine Frau und ein Mann stehen Rücken an Rücken und strecken beide einen Daumen hoch in Richtung Kamera.

Wenn Knigge Bahn fahren würde…

Im Jahre 1788 erschien „Über den Umgang mit Menschen“ von Freiherr Adolph Franz Friedrich Ludwig Knigge. Würde der deutsche Schriftsteller und Aufklärer heute leben und abermals ein Buch über „gute Umgangsformen“ verfassen, würde er „seinen Knigge“ vielleicht um ein Kapitel über das Verhalten im öffentlichen Personennahverkehr erweitern.

Denn da sind hin und wieder Dinge zu beobachten, die dem Freiherrn bestimmt aufgefallen wären: an Türen wird gedrängelt, laute Musik schallt aus Kopfhörern in die Bahn, Müll wird achtlos irgendwohin geworfen oder man macht sich mit der Tasche so breit, dass auf dem Nachbarsitz kein Platz mehr für einen anderen Fahrgast ist.

Muss das sein? Natürlich nicht. Hier sind neun Tipps, wie die Fahrt in Bus und Bahn viel einfacher und für alle angenehmer wird:

 

  • Musik aufdrehen bis zum Anschlag und Telefongespräche, die niemanden interessieren? Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Angeblich. Manchmal aber vielleicht doch. Und da nicht jeder denselben Musikgeschmack teilt, wären ein paar Dezibel weniger oft einfach mehr. Auch Telefongespräche privaten oder geschäftlichen Inhalts gehören nicht in den engen öffentlichen Raum einer Straßenbahn. Was, wenn den Nachbarn das Liebesleben von Freundin Susi gar nicht interessiert? Was, wenn es ihn viel zu sehr interessiert und er anschließend nach Susis Nummer fragt?

 

  • Für Ältere, schwangere oder behinderte Menschen nicht aufstehen? Fast schon die zweite Grundregel, die jeder Fahrgast kennen und beherzigen sollte. Allein die Vorstellung, dass man nach einem Sportunfall selber auf Krücken laufen muss und – wenn auch vorübergehend – behindert ist, sollte zu denken geben und zur richtigen Entscheidung führen: „Darf ich Ihnen meinen Platz anbieten?“ Das dankbare Lächeln, gerade älterer Fahrgäste, lohnt die kleine Geste.

 

  • Essen und Trinken ohne Rücksicht auf Flecken auf Sitzen oder Kleidung anderer? Essen in der vollen Straßenbahn? Ist doch eigentlich nicht erstrebenswert, oder? Davon, dass Essen Genuss sein sollte, mal ganz abgesehen: Flecken auf den Sitzen sind nicht so toll. Und auf die Reste der „Pommes Schranke“ des Nebenmanns auf seinem Ärmel kann garantiert jeder Fahrgast verzichten.

 

  • Müll in der Bahn entsorgen? U- und Straßenbahnen sind keine fahrenden Müllkippen. Sicher, es gibt Restebehälter, aber die sind schnell voll, weil sie nicht für Großabfälle bestimmt sind. Leider türmen sich in ihnen aber eben doch Pappbecher oder gar Pizzakartons. Jeder Fahrgast kann darauf verzichten, dass die recht kleinen Behälter überquellen und sich der Inhalt auf dem Bahn-Boden verteilt. Da an jeder U-Station und Tram-Haltestelle richtige Mülleimer stehen, sollten diese für sperrigen Müll genutzt werden.

 

  • Sich breitmachen? Sind die Bahnen voll, zählt jeder Sitz. Dann sorgt es für Platz und Entspannung, wenn die Tasche auf den eigenen Schoß kommt, statt den Nebensitz zu besetzen. Das gilt auch für Regenschirme, Aktenordner, Hunde, Blumensträuße, Zeitungen, Jacken und, und, und. Auch spielende Kinder sollten mit ihren Straßenschühchen nicht über die Bänke turnen, auf die sich andere setzen. Die Nachsicht vieler Eltern bezüglich der Turnübungen ihres Nachwuchses ist erstaunlich, aber jedes „Jetzt benimm‘ Dich!“ wird von anderen Fahrgästen goutiert.

 

  • Rücksichtsloses Drängeln? Erst austeigen, dann einsteigen. Eine Grundregel im öffentlichen Verkehr. Und nicht unsinnig. Es ist einfach vernünftig, andere Fahrgäste Platz machen zu lassen, bevor man selber „aufentert“. Weniger Stress, der Fahrgastwechsel ist schneller. Kann natürlich sein, dass dann kein Sitzplatz mehr frei ist. Aber bei den recht kurzen Haltestellen-Abständen in Frankfurt doch eigentlich auch kein Problem. Nur: wer steht, sollte das nicht unbedingt im Türbereich tun. Meist ist in der Wagenmitte noch genügend Platz und die Fahrt ist wesentlich entspannter.

 

  • Rauchen in der U-Bahn-Station? Seit Jahren verboten. Aus guten Gründen: Sauberkeit, Brandschutz, Gesundheit – und zwar die der anderen Fahrgäste. Nicht jeder hält sich daran, was für alle anderen ärgerlich und zum Teil unangenehm ist. Und zum Schluss landet die Kippe auf dem Bahnsteig oder im Gleisbett. Hier gilt dasselbe wie für essen und trinken in der Bahn: einfach ein wenig warten, bis man Bahn und Station verlassen hat. Dann kann man das viel genussvoller tun und jeder andere Fahrgast wird einem das danken.

 

  • Fahrräder in die volle Bahn quetschen, obwohl das Ziel nur ein, zwei Kilometer entfernt ist? Mit der Bahn ist man schneller unterwegs als zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Aber muss man sich zur Hauptverkehrszeit – notabene bei erstklassigem Wetter – mit dem Bike in die schon volle Tram schieben? Erst recht, wenn im Mehrzweckabteil schon ein Rollstuhlfahrer und eine Mutter mit Kinderwagen stehen? Und man doch nur zwei Stationen fahren möchte? Eigentlich nicht.

 

  • Türen aufhalten? Die Bahn ist abfahrbereit, aber der Kumpel zieht sich am Fahrscheinautomat noch schnell eine Kurzstrecke? Schön, dass er das tut. Aber muss man deswegen den Fuß in die Tür stellen und die Bahn aufhalten? Diese Verzögerung betrifft nämlich vielleicht hunderte anderer Fahrgäste, von denen einige möglicherweise schnell an ihr Ziel wollen. Wie ärgerlich so etwas ein kann, weiß man spätestens dann, wenn man selber einer dieser Fahrgäste ist und sich fragt, warum die Bahn denn nicht endlich abfährt? Außerdem kann so eine Aktion auch die Tür vorübergehend lahmlegen, aber dann reden wir nicht mehr von „Verzögerung“, sondern von Verspätung. Denn die Tür kann nur der Fahrer wieder „entstören“. Also vielleicht einfach den nächsten Zug abwarten, der kommt meistens direkt hinterher. O.k., abends vielleicht nicht.

 

 

Mit gegenseitiger Rücksichtnahme lässt sich viel Stress und Unwohlsein verhindern, auch in U- und Straßenbahnen, die im Berufsverkehr voll und vielleicht ein paar Minuten verspätet sind. Einfach lächeln, innere Ruhe und etwas Lässigkeit bewahren – auch und gerade, wenn’s nicht leicht fällt.

Wie’s geht, zeigen die nahverkehrkampferprobten Londoner. Beim Rempeln immer ein „Sorry!“ auf den Lippen. Ohne Ausnahme! Auch dann, wenn man den Ellbogen des Nachbarn in die Rippen bekommen hat. Sich öfter zu einem „T‘schuldigung“ durchzuringen – egal, in welcher Sprache – entspannt auch.

Egal, wie voll Bus oder Bahn werden. Egal, wie langsam sich manchmal Rolltreppen hinauf und hinunter zu quälen scheinen. Sagen Sie sich an solchen Tagen wie ein Mantra: In anderen Ländern ist es nicht zwingend besser. Im Gegenteil, wie dieses Video der berüchtigten U-Bahn-Linie 13 in Peking zeigt. Da haben wir‘s doch besser. Das beruhigt.

Bernd Conrads
B.Conrads@vgf-ffm.de
4 KOMMENTARE
  • Simon
    Gepostet am 16:23h, 22 September Antworten

    Außerdem: Wenn jeder auf Mitreisende Rücksicht nimmt, nicht drängelt und schiebt, geht es für alle schneller, stressfreier und angenehmer in Bus und Bahn. Vor allem ist ÖPNV fahren dann stressfreier als der Straßenverkehr.

    • Bernd Conrads, VGF
      Gepostet am 16:41h, 25 September Antworten

      Es glauben leider doch einige, daß sie mit Drängeln weiter kommen und schneller sind. Ein Irrtum, ich stimme Ihnen zu! *bec.

  • Sven Eric Panitz
    Gepostet am 10:01h, 24 September Antworten

    Vielleicht noch ein Punkt:
    Das Mehrzweckabteil nicht unnötig blockieren, wenn man es selbst nicht benötigt. Ich beobachte so oft, dass jemand mit Kinderwagen, Rollstuhl, Fahrrad in eine spärlich besetzte Bahn zusteigt aber die wenigen Fahrgäste ausgerechnet das Mehrzweckabteil besetzen. Manche machen dann noch nicht einmal Platz, so dass der Kinderwagen im Türbereich stehen muss und beim nächsten Fahrgastwechsel im Weg steht.

    • Bernd Conrads, VGF
      Gepostet am 16:40h, 25 September Antworten

      Guter Punkt, der gehört dazu! *bec.

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