Ein Ausflug zur Betriebsleitstelle
Morgens, 7:30 Uhr, Haltestelle „Linnegraben“. Ich wartete auf die Tram. Am Dynamischen Fahrgast-Informations-(DFI-)Anzeiger war unter der Abfahrtszeit der 11 zu lesen: „Der Frankfurter Busverkehr wird zurzeit bestreikt! U-, S- und Straßenbahnen fahren!!“ Nun war ich dank der VGF-Betriebsleitstelle informiert und wusste, dass ich auf dem Heimweg die Straßenbahn statt den 52er Bus nehmen musste.
Vor dem Feierabend allerdings wollte ich mir noch anschauen, wie die Männer und Frauen in der Leitstelle arbeiten. Also auf Richtung Konstablerwache und den Kollegen mal über die Schulter geschaut.
Immer einen kühlen Kopf bewahren
Sie ist der Puls der VGF. Ohne die Leitstelle würden unsere Bahnfahrer nicht wissen, was auf den Schienen gerade los ist. Und Fahrgäste würden sich eventuell die Beine in den Bauch stehen und keine Ahnung haben, warum.
Rund um die Uhr – 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, 52 Wochen im Jahr – behalten 56 VGF-Mitarbeiter den Überblick im U-Bahn-, Straßenbahn- und Busbetrieb. Der ist zwar an private Betreiber vergeben, wird aber in der Leitstelle überwacht. Wie im Fahrdienst gibt es auch in der Betriebsleitstelle weder Wochenenden noch Feiertage. Die Kolleginnen und Kollegen geben alles, damit Frankfurts Einwohner und Pendler zur Arbeit kommen, Touristen zur nächsten Sehenswürdigkeit oder Nachtschwärmer in die nächste Bar. Vor allem sind sie jedoch gefordert, wenn der Fall eines Falles eintritt. Nämlich dann, wenn eine Störung den öffentlichen Personennahverkehr aus dem Takt bringt.
Wer jetzt denkt, dass es in der Leitstelle laut und hektisch zugeht, wird schnell eines Besseren belehrt. Zwar klingeln ständig Telefone, trotzdem geht es hier alles in allem erstaunlich ruhig zu.
Disponenten, Fahrdienstleister – kaum auszudenken, wenn es sie nicht gäbe?
Eine Leitstelle ist nur so gut wie jene, die dort ihren Dienst tun. In drei Schichten sitzen ein Disponent – der Schichtführer –, sechs Fahrdienstleiter, ein Mitarbeiter des Fahrgastinformationsplatzes sowie des Betriebsüberwachungsplatzes (BÜWA) an ihren Leitplätzen. Sie sorgen dafür, dass unsere Fahrgäste sicher und bequem ihr Ziel erreichen.
Falk Nentwich ist Disponent. Er blickt wie seine Kollegen auf mehrjährige Erfahrung zurück. Bevor er bei der Betriebsleitstelle anfing, war er lange Zeit als Schienenbahnfahrer tätig. Er kennt Frankfurts Strecken und Straßen wie seine Westentasche. Er und seine Kollegen behalten kühle Köpfe, wenn’s darauf ankommt. Dann nämlich, wenn zum Beispiel ein Fahrgast in der Tür die Bahn aufhält oder eine Signalstörung oder ein Falschparker den Betrieb stört. Manchmal führt auch ein Unfall mit Sachschaden oder sogar Verletzten zu Verspätungen. Dann ist Hochbetrieb in der Leitstelle.
Nentwich unterstellt sind die Fahrdienstleiter. Auch sie haben einen alles andere als leichten Job. Bei den vielen Bildschirmen – circa zehn an der Zahl pro Leitplatz – ist es leicht, den Überblick zu verlieren. Drei der Fahrdienstleiter sind für die U-Bahn verantwortlich, jeweils einer für die „A“-, „B“- und „C“-Strecke. Sie überwachen und steuern die Stellwerke. Im Regelbetrieb läuft alles über zentrale Zuglenkeinrichtungen, aber der Fahrdienstleiter kann bei Störungen, Ein- und Ausschiebefahrten eingreifen. Außerdem kann er zum Beispiel eine verspätete U1 vorzeitig schon in Heddernheim enden lassen. Das führt bei Fahrgästen mitunter zu Unmut, ist in seltenen Fällen aber nötig, um den Fahrplan nach Störungen wieder ins Lot zu bringen.
Die anderen Fahrdienstleiter kümmern sich um den reibungslosen Straßenbahn- und Busbetrieb. Sie überprüfen die Einhaltung des jeweiligen Fahrplans, ermitteln den Standort der Fahrzeuge und greifen steuernd ein, falls Bahnen oder Busse stark verspätet oder defekt sind oder Unfälle den Verkehr behindern.
Während die einen sich in einem beinahe fensterlosen Raum im zweiten Stock konzentrieren, fahren zwei Funkwagen über Frankfurts Straßen. Der Fahrdienstleiter im Außendienst ist der erste, der bei einem Notfall direkt vor Ort ist. Er ist „Auge & Ohr“ der Betriebsleitstelle sowie örtlicher Einsatzleiter. Er unterstützt den zum Beispiel von einem Unfall betroffenen Fahrer, ist Ansprechpartner für Polizei, Feuerwehr sowie sonstige Hilfskräfte und hält die Leitstelle auf dem Laufenden. Aufgrund seiner Informationen können bei Störungen, Unfällen etc. weitere Schritte eingeleitet werden. Und auch ohne Unfälle, kommt garantiert keine Langeweile auf: Haltestellen werden auf Sauberkeit und Vollständigkeit überprüft sowie Signalanlagen, Weichen und sonstige Betriebsanlagen gesichtet.
Der aus Sicht des Fahrgasts wohl wichtigste Posten in der Leitstelle ist der Fahrgast-Informationsplatz. Von hier aus werden VGF-Kunden über Betriebsstörungen informiert. Der Kollege kann über Funk die Fahrgäste in den Fahrzeugen direkt ansprechen, gibt Texte für die DFI-Anzeiger ein und macht Lautsprecherdurchsagen an Haltestellen. Aber bis Fahrgäste beispielsweise erfahren, ob Busfahrer streiken – so geschehen vom 9. bis 22. Januar –, braucht es mehr als ein, zwei Klicks mit der Computermaus. Gibt es keinen vorformulierten Textbaustein, muss zuerst ein Text geschrieben werden. Dann wählt der Kollege die Strecke aus und muss anschließend jeden Anzeiger einzeln anklicken. So vergehen mehrere Minuten, bis unsere Fahrgäste wissen, was auf Frankfurts Schienen passiert. Derweil hat sich manchmal die Verspätung auch schon wieder erledigt und die Bahn fährt bereits die nächste Haltestelle an.
Nicht zu vernachlässigen ist der Mitarbeiter an der Betriebsüberwachung. Er kontrolliert die Aufzüge, Beleuchtung, Fahrscheinautomaten sowie weitere Technik, mobilisiert den Entstördienst und kann ein Reihe von Systemen (Beleuchtung in den Stationen und Tunneln oder die Fahrstromversorgung) an- und abschalten.
Von der Störung bis zu ihrer Behebung
Was passiert genau, wenn zum Beispiel eine U-Bahnfahrt wegen eines Defekts entfällt? Rasches Handeln ist dann gefragt: Die Fahrgäste müssen die Bahn verlassen, der Kollege am Fahrgastinformationsplatz gibt an Fahrgäste entlang der Strecke weiter, dass diese Fahrt entfällt – zu lesen am DFI-Anzeiger. Der defekte Zug muss die Strecke räumen und in den Betriebshof. Das alles muss schnell passieren, damit es in Folge dieser Störung nicht zu weiteren Verspätungen oder sogar Ausfällen kommt.
Anders sieht die Sache aus, wenn es kracht und ein Unfall der Fahrt ein jähes Ende bereitet. Der Fahrdienstleiter im Außendienst, Polizei sowie gegebenenfalls Rettungswagen werden zum Ort des Geschehens geschickt. Auch der Einsatz der Feuerwehr kann möglich sein, denn die kann mit Spezialgerät U- oder Straßenbahnen von der Schiene heben oder auch wieder eingleisen. Davon kriegen die meisten Fahrgäste allerdings nichts mit. Nachfolgende Bahnen werden nach Möglichkeit umgeleitet oder ein Taxiersatzverkehr eingerichtet, damit alle Fahrgäste trotzdem ans Ziel kommen. Auch der Bahnfahrer bzw. die Bahnfahrerin wird in dieser Situation nicht allein gelassen. Der Fahrdienstleiter steht ihm/ihr zur Seite. Sollte es nötig sein, steht ein speziell geschulter Mitarbeiter des Kriseninterventionsteams zur Betreuung zur Verfügung.
Dabei ließen sich gerade Zusammenstöße zwischen Bahn und Fußgänger leicht vermeiden. Zum Beispiel, wenn sich Passanten mehr auf den Verkehr um sich herum konzentrieren würden, statt auf ihr Smartphone. Kein Grund für uns, die Hände in den Schoß zu legen: Viele Bahnübergänge sind, um die Aufmerksamkeit zu erhören, gelb eingefärbt. So genannte Z-Geländer sorgen dafür, dass man vor dem Überqueren nach oben und dabei in Richtung der womöglich herannahenden Bahn schaut. Ein Blick auf den Blogartikel „Achtung Bahn!“ lohnt sich ebenfalls.
Besondere Vorkommnisse: Das Unvorhergesehene kann man nicht planen
Bis auf Demonstrationen oder geplante Bauarbeiten sind Störungen für die VGF nicht vorherzusehen. Aber wir können uns vorbereiten. Und das tut die Leitstelle auch. Dazu drei Beispiele:
Fällt in Leitstelle der Strom aus, springt ein Generator an. Der versorgt die Computer, Monitore und anderen technischen Geräte mit „Saft“. Zwei Stunden bleiben dann dem Energieversorger, um die Leitstelle wieder ans Netz zu bringen. Ansonsten gibt es in verschiedenen Stationen über das Stadtgebiet verteilt so genannte Ortsstelltische, die von so einem Stromausfall nicht betroffen wären. Von diesen lässt sich der Betrieb notfallmäßig regeln.
Einen Schockmoment erlebte Disponent Falk Nentwich, als am 19. Dezember, ausgerechnet dem Tag des Anschlags auf den Berliner Weihnachtsmarkt, bei ihm ein Anruf einging: An der Station „Dornbusch“ habe es eine Explosion gegeben. Bevor Nentwich den Betrieb einstellte, genügte ein Blick auf den Monitor, um das als Fehlalarm zu entlarven. Denn die Station ist mit Videokameras ausgestattet.
Oder Januar 2013: Die Straßenbahnen mussten im Depot bleiben. Damals legte sich eine Eisschicht um die Oberleitung. Inzwischen sind wir dank des „SchneeschieBÄRs“ darauf besser vorbereitet: Die Straßenbahn verfügt über zwei Schneepflüge für die Gleise und über eine Frostschutz-Benetzungsanlage für die Oberleitung. Eine Glycerin-Lösung versiegelt die Oberleitungen und verhindert so ein Einfrieren. Und hübsch sieht das Gefährt mit den Bären an den Fahrerständen auch aus: Es zieht die Blicke auf sich.
Zukunftspläne
Ohne die Mitarbeiter der VGF-Leitstelle wäre auf Frankfurts Straßen deutlich mehr Betrieb: U- und Straßenbahnen könnten genauso wenig fahren wie die Busse. Fahrgäste müssten wohl oder übel auf das Auto oder Fahrrad umsteigen oder zu Fuß von A nach B laufen.
Nahezu nichts kann die Kollegen und Kolleginnen umhauen. Sie sind der Fels in der Brandung. Damit sie dies auch in Zukunft noch sind, ist ein Umzug geplant. Dann heißt es: „Kurze Wege für die Sicherheit“. Betriebsleitstelle sowie Sicherheit- und Service-Zentrale befinden sich dann alle in einem Raum.
Mit noch stärkerer Man- und Woman-Power als an der alten Stelle will die VGF so für Krisen noch besser gerüstet sein. Geplant ist unter anderem ein zusätzlicher Arbeitsplatz für die Fahrgast-Information. Auch ein sogenannter „Troubleshooter“ soll einen Platz in der hochmodernen Betriebsleitstelle finden, um im Notfall dem Fahrdienstleiter unterstützend zur Seite zu springen.
Wenn die neuen Räume bezogen werden, erwarten die Kollegen nicht nur moderne Arbeitsplätze, sondern auch eine komplett umgerüstete Technik. Die zurzeit genutzte wurde zwar im Laufe der Jahre immer wieder ergänzt, stammt in ihren Grundzügen aber aus den 80er Jahren. Zeit also, etwas zu ändern.
Ein dickes DANKEschön an Disponenten und Fahrdienstleiter
Eigentlich machen sie – genau wie die Bahnfahrer, die Kollegen an den Ticketschaltern, die Bauarbeiter, Fahrgastbegleiter und viele andere – „nur“ ihren Job. Aber im Gegensatz zu den genannten arbeiten sie hinter den Kulissen der VGF. Wenn überhaupt, dann hört man ihre Stimme aus dem Off. Sie dirigieren den ÖPNV, sodass am Ende des Tages – und weit darüber hinaus – eine wohlklingende Melodie herauskommt und keine misstönende Kakophonie.
Egal, ob „Fremdunfall“ oder Unfall mit VGF-Beteiligung, Polizei- bzw. Rettungswagen-Einsätze, Netzstromausfall, Schneefall, Bombendrohung, Vandalismus oder hohes Verkehrsaufkommen, Bauarbeiten, ein technischer Defekt am Fahrzeug, Signalstörung, Beschädigung an der Fahrleitung oder Weichenstörung – als Fahrgast ist es gut zu wissen, dass es Disponenten und Fahrdienstleiter gibt, die die Bahnen und Busse Frankfurts im Blick haben. Sie kümmern sich darum, dass nicht solch katastrophale Verkehrsverhältnisse herrschen wie in Rom oder Kalkutta.
Also wenn die Bahn mal ein, zwei Minuten Verspätung haben sollte, am besten ruhig bleiben: Die VGF arbeitet schon an einer Lösung des Problems, auch wenn Sie es nicht sehen oder wissen.
Rikarda Engelhardt
Gepostet am 09:01h, 02 FebruarToller Bericht und 1a ich hoffe das ihn viele Fahrgäste lesen, damit sie endlich mal sehen was die Menschen von der VGF leisten.
Danke auch von mir an alle von der VGF