Verladung eines Wagens auf einen anderes Schienenfahrzeug

Wer Geld mitbringt, kann uns haben

Nun also Budapest. Ist ja auch ganz schön, so sieht man mal was anderes. Obwohl, ehrlich gesagt, in Frankfurt bin ich auch sehr gerne gefahren. Eine schöne Stadt, besonders für junge Busse, sag ich mal – ist ja viel los in der Stadt. Inzwischen erfülle ich aber leider nicht mehr die Vorgaben der Lokalen Nahverkehrsgesellschaft TraffiQ, deshalb wurde ich verkauft. Ich, und viele meiner Geschwister. Weil wir die neuen Abgasnormen nicht mehr erfüllt haben, oder weil unsere Haltestangen nicht die richtige Farbe haben, oder weil wir über keine Klimaanlage verfügen. Alles Gründe, warum wir Busse schnöde weiterverkauft werden, statt unser Altenteil in der Heimat zu verbringen.

Naja, was beschwere ich mich. Den Bahnen ging es auch nicht anders, zumindest früher nicht. Beispielsweise Rumänien: Dort fahren bis heute L-Wagen, M-Wagen und N-Wagen, die einst Frankfurter Bürger durch die Stadt geschaukelt haben. Die Bahnen hat die VGF im Jahr 2004 dorthin verkauft. Für den Käufer ist das übrigens gar nicht soooo billig, obwohl er was Gebrauchtes gekauft hat. Denn er zahlt den Transport, und der ist bei Bahnen sehr aufwändig, viel aufwändiger als bei uns Bussen. Wahrscheinlich ist es auch deswegen schon vier Jahre her, dass die letzten Straßenbahnen Frankfurt verlassen haben: Damals, im Jahr 2011, gingen 12 Pt-Wagen nach Katovice in Polen, und im Jahr danach noch einmal fünf. Und seitdem wurden keine Bahnen mehr verkauft, nur noch wir Busse.

Verladung Pt-Fahrzeug

Abtransport Pt-Fahrzeug

Es gibt da nämlich so einen Spezialisten bei der VGF, einen Einkaufsexperten, der immer dann, wenn es um uns arme Altfahrzeuge geht, zum Verkäufer mutiert. Mathias Bogisch heißt er. „Was wir nicht verkaufen, müssen wir verschrotten“, so begründet er, dass er uns in regelmäßigen Abständen verkauft. Und froh ist der Typ auch noch darüber, denn das spült Geld in die Kassen der VGF.

Die meisten von uns, egal ob Bahn oder Bus, verschlägt es übrigens nach Osteuropa, genau wie mich. Eine Ausnahme war das Jahr 2011: Da sind mit Hilfe vom Einkauf 15 Pt-Wagen ins türkische Gaziantep ausgewandert. Die wurden sogar in der Werkstatt der VGF eigens „aufgemöbelt“ und nochmal rundum erneut und teilweise umgebaut. Damit sie auch zu den Bedürfnissen der neuen Fahrgäste passen. Bei uns Bussen ist das nicht so kompliziert, wir werden höchstens mal umlackiert.

Modernisiertes Pt-Fahrzeug aus Gaziantep

Modernisiertes Pt-Fahrzeug aus Gaziantep

Obwohl, selbst das passiert nicht immer: Zum Beispiel fahren in Siegen seit dem letzten Jahr 19 meiner Geschwister, plus zwei Gelenkbusse, und zwar immer noch in der gleichen Farbe. Warum? Nun ja, der dortige Dienstleister Bus & Auto Wern GmbH erbringt mit dem Tochterbetrieb Verkehrsbetriebe Westfalen Süd GmbH den ÖPNV dort gleich selbst. „Die Farbe haben wir behalten, die passt gut zu unserer eigenen Unternehmensfarbe“, erzählt Geschäftsführer Frank Mühlhaus, „wir haben die Fahrzeuge nur ein wenig aufgemöbelt, also kleinere Dellen oder Lackschäden beseitigt.“ Siegen – ganz schön bergig, kann ich euch sagen, ist bestimmt kein Zuckerschlecken für uns Oldtimer. Aber was soll man machen, fragt uns ja keiner.

Übrigens handelt die Firma auch mit gebrauchten Fahrzeugen. Deshalb hat sie bereits in den Jahren 2008 und 2010 einige meiner Geschwister gekauft – und diese in alle Welt weiterverkauft. „Wir haben Kunden in Ungarn, Polen und Rumänien“, erzählt Frank Mühlhaus, „Osteuropa und der Balkan sind generell gute Märkte für unsere Fahrzeuge.“

Zwischen zwei Tagen und zwei Monaten stehen wir bei ihm auf dem Hof, bevor wir einen neuen Einsatzort finden. Den Glücksfall, dass wir alle zusammen bleiben können, erleben wir aber nicht sehr oft: „Viele Kunden kaufen einzelne Busse, weil sie erstmal klein anfangen, indem sie beispielsweise nur eine Linie bedienen. Andere benötigen ein Ersatzfahrzeug oder Ersatzteile“, weiß Frank Mühlhaus. Im Grunde ist denen aber auch egal, ob hier oder da oder sonst wo landen: „Wer Geld mitbringt, kann die haben“, sagt Frank Mühlhaus. Darin sind sie sich alle einig, zum Beispiel auch Herr Cikursch vom Großhändler alga Nutzfahrzeug- und Baumaschinen GmbH zu, der sagt das gleiche. Er hat mich und viele meiner Geschwister nach Ungarn weiter verkauft – deshalb also Budapest.

Aber Budapest ist auf jeden Fall viel besser als das, was mit den alten U2-Wagen passiert. Die wandern nämlich in die Schrottpresse. Was dem Einkauf in der Seele wehtut. Das schöne Geld, das die VGF so verliert…

Naja, ich kann das insgesamt schon alles verstehen. Weil, stehende Fahrzeuge kosten nur, sagt Mathias Bogisch. Daher verkauft er uns ausschließlich an Zwischenhändler: „Das ermöglicht mir, viele Fahrzeuge auf einmal loszuwerden“, sagt er. „Außerdem müssten wir gegenüber Privatleuten in die Gewährleistungspflicht gehen.“ Das will er natürlich nicht, der Mathias Bogisch, denn dann müsste die VGF uns, wenn wir zum Beispiel drei Monate nach dem Verkauf irgendein Wehwechen haben, wieder zurücknehmen oder uns reparieren. Bis zu sechs Monate wäre die VGF gegenüber Privatleuten noch für uns verantwortlich. Das ist der VGF aber viel zu teuer, deshalb bekommen Privatleute uns nicht, egal, wieviel sie für uns zahlen würden.

Busse im Betriebshof Rebstock vor Abtransport nach Rumänien

Busse im Betriebshof Rebstock vor Abtransport nach Rumänien

Stattdessen hat der Einkauf eine Liste mit 163 Firmen, die Interesse an uns haben. Er verkauft ja auch nicht nur uns Busse oder alte Bahnen, er verkauft auch Transporter und Nutzfahrzeuge, und einmal sogar einen Turmwagen und Maschinen nach Schlesien. „Ungefähr 80 dieser Firmen interessieren sich für Busse, und etwa die Hälfte derjenigen schreibe ich an“, sagt Mathias Bogisch. Er macht das schon so lange, er weiß inzwischen ganz genau, wer die Kapazitäten hat, um 20 oder 30 von uns auf einmal zu kaufen. Die Interessenten bekommen ein Fax von ihm und werden aufgefordert, ein Angebot per Mail einzureichen. Der Meistbietende bekommt uns dann, so einfach ist das.

Naja, also, nicht ganz so einfach. Zuvor gibt es schon nochmal eine weitere Verhandlungsrunde. Wenn der Einkauf 40 Firmen anschreibt und dann zehn bis 15 Angebote bekommt, findet er das gut. Die Höchstbietenden schreibt er erneut an. Meistens kommen die dann nach Frankfurt und begutachten uns und sprechen mit den Leuten von der Werkstatt, weil die uns ja besonders gut kennen. Dann gibt es ein zweites Gebot – und der Verkauf steht. Und wir gehen auf Reisen.

Für die VGF ist das natürlich viel günstiger, wenn ein ganzer Schwung von uns den Besitzer wechselt, als wenn die uns einzeln verkaufen würden. Denn dann schreibt der Einkauf nur einen Kaufvertrag und eine Rechnung, und er muss sich nicht mit Zoll- und Ausfuhrbestimmungen oder mit Umweltauflagen anderer Länder befassen. Es ist ja auch so, dass wir mit jedem Tag, den wir auf dem Hof herumstehen, altern. Und das kostet ja wieder Geld, das der VGF dann fehlt.

Es ist übrigens auch ganz unterschiedlich, wieviel Geld die VGF für uns bekommt. Einmal ist es gelungen, einen siebenstelligen Betrag zu erreichen. Aber das ist eher die Ausnahme. Genaue Zahlen sind sowieso ein Geschäftsgeheimnis. Was man aber sagen kann: Wenn der Käufer schon weiß, an wen er uns weiterverkaufen kann, zahlt er auch mehr. Denn dann muss er uns ja nicht erstmal bei sich abstellen. Insgesamt steckt der Mathias Bogisch rund einen Arbeitstag in den Verkauf von mir und meinen Geschwistern. Und schwupps – ist man in Budapest.

 

 

Sylvia Voss
S.Voss@vgf-ffm.de
4 KOMMENTARE
  • Sachse
    Gepostet am 13:44h, 06 April Antworten

    Sehr schön geschrieben.. 🙂

  • Martin
    Gepostet am 10:18h, 07 April Antworten

    Wie viele Fahrzeuge gehen denn nach Budapest?

    • Sylvia Voß
      Gepostet am 09:37h, 11 April Antworten

      Seit 2008 haben wir 172 Busse an Großhändler verkauft – wie viele davon diese an Budapest weiterverkauft haben und wie viele an andere Städte, darüber haben wir leider keine Zahlen.

  • Michael K
    Gepostet am 11:16h, 07 April Antworten

    Die Stadt heißt Katowice mit w (in Schleßien)!

    Gruß Michael

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