Tür auf – Tür zu. Bitte zurücktreten!
„Das Ar***l*ch hat mir die Tür vor der Nase zu geknallt“ – mal deftiger in der Ausdrucksweise, mal sachlicher – nicht selten beschweren sich Fahrgäste bei der VGF und auch anderen Verkehrsunternehmen darüber, dass sie nicht mitgenommen wurden und die Tür sich vor ihnen schließt. Mit diesem Artikel möchte ich erläutern, wann, weshalb und warum sich die Türen schließen oder auch nicht.
Grundsätzlich kann ein Fahrer die Tür nicht direkt schließen, sondern „nur“ die sogenannte „Türfreigabe“ wegnehmen. Für Fahrgäste ist das daran erkennbar, dass der Türtaster nicht mehr grün leuchtet und sich nicht mehr betätigen lässt. Die Türen schließen selbsttätig, sobald kein „Störfaktor“ mehr von den Sicherheitssystemen wahrgenommen wird. Von der Wegnahme der Freigabe bis zum eigentlichen Schließen können im Idealfall 20 Sekunden liegen, häufig deutlich länger. Bei heraneilenden Fahrgästen entsteht dann manchmal der Eindruck, der Fahrer habe die Tür bewusst direkt vor Ihnen zu gemacht, dabei war der Prozess schon längst eingeleitet. Sind alle Türen zu, muss der Fahrer bei bestimmten Wagentypen dies vor der Abfahrt durch einen erneuten Tastendruck bestätigen, auch diese Handbewegung sieht manchmal aus, als hätte man damit die Türen zu gemacht.
Wie lange müssen die Türen freigegeben werden?
Der Fahrplan macht bei U- und Straßenbahnen im Gegensatz zu S- oder Regionalbahnen zwischen Abfahrts- und Ankunftszeit keinen Unterschied, heißt (mit einigen wenigen Ausnahmen von Haltestellen, bei denen es eine Liegezeit zur Anschlusssicherung gibt): Ankunftszeit = Abfahrtszeit. Die Freigabe der Türen hat nach der „DF-Strab“, dem Regelwerk für den Fahrdienst, mindestens fünf Sekunden an jeder Station zu erfolgen. Danach kann der Fahrer die Freigabe wegnehmen. Für die Beobachtung des Fahrgastwechsels stehen Spiegel an den Stationen, Außen- und Innenspiegel des Fahrzeuges, sowie Videokameras im Fahrzeug zur Verfügung. Den richtigen Zeitpunkt zu finden, um die Türfreigabe wegzunehmen, ist nicht immer einfach zu finden, auch wenn das Außenstehenden so vorkommen mag. Es gilt, den Fahrgastwechsel zu beobachten. Ist der Bahnsteig geleert (oder der Zug voll) und es steigt offenbar keiner mehr aus, wird die Türfreigabe weggenommen. Zum einen, um den Zug abfahrbereit zu machen und zum anderen, um die Einhaltung des Fahrplans und damit die Pünktlich für die Fahrgäste zu ermöglichen.
Außerdem hat der Fahrer nicht immer die Möglichkeit, den gesamten Zug mit seinen bis zu 16 Türen pro Seite einzusehen. Je nach Bahnsteigkrümmung ist das unterschiedlich. Liegt der Bahnsteig an der Innenseite einer Kurve, ist das unproblematisch. Befindet sich der Bahnsteig an der Außenseite, so kommen an manchen Stationen spezielle Spiegel zum Einsatz, die aber mitunter trotzdem nicht den gesamten Bahnsteig abbilden können. Die Türen sind dafür mit verschiedenen Sensoren ausgestattet: Lichtschranke, Drucktaster und der sogenannte „Hundeleinenschutz“. Die Türen reagieren beim Zulaufen auf Kontakt, Zug am Gummi (z.B. durch eine Hundeleine) oder sperren der Lichtschranke und gehen dann wieder auf.
Eine Klimaautomatik schließt Türen unabhängig von der anstehenden Freigabe des Fahrers. Wird die Lichtschranke etwa fünf Sekunden nicht durchlaufen schließt sich die Tür, um die Kühlung bzw. Beheizung des Fahrgastraumes nicht unnötig zu stören. Leuchtet der Türtaster weiter grün, lassen sich die Türen problemlos öffnen. Niemand muss seinen Fuß dann hineinstellen. Als Fahrer beobachtet man am Tag viele Situationen, bei denen diese Klimaautomatik für Missverständnisse sorgt. Fahrgäste denken oft, man knalle Ihnen die Tür vor der Nase zu – dabei bedarf es nur des Tastendrucks und der Fahrer hat noch gar keinen Schließvorgang eingeleitet.
Es ist manchmal schwierig einzuschätzen, ob ein auf dem Bahnsteig laufender Fahrgast mitfahren möchte oder nicht. Wie soll der Fahrer unterscheiden, ob der auf dem Bahnsteig laufende Fahrgast den Fahrkartenautomat ansteuert oder zur zweiten offenen Tür läuft und in den Zug einsteigen möchte? Er könnte schließlich die nächstgelegene Tür mit dem Türtaster zu öffnen. Umgekehrt gibt es auch den Fall, bei dem man sich wirklich sicher ist, derjenige möchte nicht mit. Zum Beispiel weil er noch weiter entfernt ist und langsam läuft ohne erkennbares Ziel den Zug noch zu erwischen. Beim Abfahren sich dann unter Umständen aber deftig zu Wort meldet.
Signale, VSA und die Türfreigabe
Nun mag man denken – das war es doch schon – dem ist aber nicht so. Der Fahrer hat nicht nur die Aufgabe, die Fahrgäste sicher, komfortabel und vor allem pünktlich zu befördern, er muss zusätzlich auf einen guten und möglichst reibungslosen Ablauf des Betriebes achten. Für ihn bedeutet das: Vermeidung langer Stehzeiten, Aufrechterhaltung des Gesamtbetriebes. Das ist bei Strecken mit dichter Taktung von wenigen Minuten besonders im „Berufsverkehr“ wichtig. Bei einer U-Bahn-Stammstrecke, z.B. Heddernheim-Südbahnhof, Hauptbahnhof-Konstablerwache oder Industriehof-Zoo fahren die Bahnen in der Hauptverkehrszeit in einem Abstand von deutlich unter fünf- sieben Minuten. Hier kann nach dem erfolgten Fahrgastwechsel nicht auf weitere Fahrgäste gewartet werden: der nächste Zug steht meist direkt am Einfahrtssignal und wartet auf die Abfahrt des Vordermannes. Kommt es also zum Rückstau von Zügen, ist der Fahrer daran interessiert, möglichst zügig abzufahren. Ist der vor ihm befindliche Blockabschnitt freigefahren und er bekommt grünes Signal zur Abfahrt, nimmt er die Freigabe weg. So bleibt der Betrieb in einem geordneten Ablauf und staut sich nicht unnötig auf Kosten des Fahrplans weiter auf. Denn: Unterbrechungen halten alle dahinter befindlichen Züge auf und stören den Ablauf massiv. Verspätungen von mehr als 5-6 Minuten sind nur schwer einzuholen und gehen auf Kosten der Wendezeit der Fahrer. Bei großen Verspätungen >15min muss teilweise vorzeitig gewendet werden, dies führt dann zwangsläufig zu einem Teilausfall der Bahn.
Im oberirdischen Bereich der U-Bahn Linien (ebenso Straßenbahn) werden Kreuzungsbereiche und Überwege durch sogenannte Verkehrssignalanlagen, kurz “VSA“, umgangssprachlich auch gerne mal Ampel genannt, geregelt. Die Balkensignale für die Bahnen werden teilweise durch diese selbst angefordert oder folgen einem festen Umlauf mit Zeitabfolge in bestimmter Reihenfolge, um den Verkehr zu regeln.
Wir Fahrer wissen durch die intensive Streckenschulung genau, welche Signale wir anfordern und welche einem festen Umlauf folgen. Wir möchten unseren Fahrgästen eine gute Fahrt mit möglichst hoher Pünktlichkeit bieten. Dieses Ziel hat auch Einfluss auf das Schließen der Türen. An Stationen mit festem Umlauf, ein Beispiel ist die Station Hügelstraße mit der großen Kreuzung zwischen Hügelstraße und Eschersheimer Landstraße, kommt das Abfahrtsignal für die U1,2,3, oder U8 nur ca. alle anderthalb bis zwei Minuten. Deshalb bemühen wir uns, abfahrbereit zu sein, wenn das Signal da ist. Denn: ein solches Signal zu verpassen, bedeutet 1,5 Minuten Verspätung. Das mag nicht viel klingen, ist aber nahezu die Abfahrtszeit des nächsten Zuges. Dieser kann in Folge nicht pünktlich abfahren und baut die Verspätung aus. Bis zur Endstation können so aus diesen 1,5 Minuten schnell 4-5 Minuten oder mehr werden. Durch solche Verkettungen und unregelmäßige Abfahrten werden Zugabstände größer, dann ist besonders hohes Fahrgastaufkommen und die Fahrgastwechsel dauern länger (→ Verspätung) – oder kleiner weil sich Züge aufstauen und Abschnitte erst freigefahren werden müssen (→ Verspätung).
VSA, die durch das IBIS (eine Art Bordcomputer) im Zug angefordert werden, werden erst aktiviert, wenn der Fahrer die Türfreigabe wegnimmt. Dieses Signal steht mitunter sehr kurz an. Es ist nicht unbedingt möglich die Türen nochmal freizugeben und dabei das Risiko einzugehen, dieses zu verpassen. Dann müsste man warten, da die Anlagen dann umschalten und z.B. erst dem Kreuzungsverkehr grün geben, bis die erneute Anforderung der Bahn angekommen ist. Auch das führt dann zu weiteren 1-2 Minuten Verspätung. Verpasst man mehrmals ein Signal, addiert sich die Verspätung und bringt den Fahrplan durcheinander. Wir wissen, an welchen Stellen wir ein wenig Zeit haben. Wenn es möglich ist und die Taktung nicht allzu eng ist warten wir gerne!
Signal da, Türen schließen nicht
Ein Alltagsproblem für den Fahrdienst. Häufig werden Türen für anrennende Fahrgäste aus „Freundlichkeit“ aufgehalten – oder anders ausgedrückt: aus „Unfreundlichkeit“ gegenüber den pünktlichen Fahrgästen im Zug. Lichtschranken werden blockiert, Türen aufgedrückt etc. pp. Das führt zu den oben beschriebenen Verzögerungen. Wir Fahrer sind nun gefordert, der Fahrbetrieb muss reibungslos laufen. Also wird nachgesteuert. Bei der normalen Wegnahme der Freigabe öffnet sich die Tür grundsätzlich bei Störung eines der Sicherheitssysteme vollständig. Etwa 30 Sekunden nach Wegnahme der Türfreigabe kann der Fahrer bei den modernen Fahrzeugen eine „Zwangsschließung“ aktivieren. Ab diesem Zeitpunkt geben die noch offenen Türen einen Signalton ab und öffnen sich bei Störung des Schließvorganges nicht mehr vollständig; sondern nur noch ein Stück. Dies soll dazu dienen, dass nicht ein Zug eine gesamte Strecke über mehrere Minuten lahmlegt. Wenn eine Tür diesen Ton abgibt, ist es nicht hilfreich, sich dieser Tür in den Weg zu stellen, da sie sich nicht erneut komplett öffnet – dann bitte zurückbleiben – die nächste Bahn kommt, wenn diese abgefahren ist.
Wer sich doch immer und immer wieder dazwischen stellt und sozusagen als Rammbock agiert, der verursacht mitunter unweigerlich…
…das leidige Thema: Türstörung!
Nicht nur für Fahrgäste, auch für uns Fahrer sind Türstörungen unschön. Sie kosten Zeit, blockieren die Strecke, was wiederum zu Verspätung führt, machen unnötig Arbeit und sind in den meisten Fällen vermeidbar. Es ist teilweise unglaublich, beobachten zu müssen, wie von einigen — zum Glück — wenigen Fahrgästen, Türen bis zur Störung getrieben werden. Da ist es kein Wunder, wenn mehrfach gegen eine Tür getreten wird oder diese gewaltsam aufgerissen wird, dass irgendwann die Motoren, der Zahnriemen oder welches Teil auch immer seinen Geist aufgibt. Zugegeben, es ist spitz formuliert, aber es ist in der Tat so, dass die Türen von einer Minderheit brutal angegangen werden.
Bis die gestörte Tür ordnungsgemäß abgeschaltet, verschlossen und mit den bekannten Aufklebern markiert ist, dauert, wenn es (wie häufig) die letzte Tür am Zug ist, ca. 5 Minuten. Doch bei diesen 5 Minuten Verspätung bleibt es leider nicht unbedingt, denn durch die größer gewordene Lücke zum Vorderzug warten nun mehr Fahrgäste. Dadurch dauert der Fahrgastwechsel länger und sorgt für weitere Verspätung, die sich kaum vermeiden lässt. Denn alle wartenden Fahrgäste möchten mit dem Zug mitfahren und kaum jemand wartet auf den nächsten leereren Zug. Letzteres scheint offenbar häufig keine Alternative zu sein, es würde lediglich 2-3 Minuten länger dauern.
Soweit einmal ein Einblick über den Ablauf im Fahrdienst, die Aufgaben des Fahrers und die Beeinträchtigungen, die durch die Türen entstehen können. Gleichwohl ist klar: Auch ein Fahrer ist nur ein Mensch und wo Menschen arbeiten, können Fehler passieren. Die Entscheidung, die Freigabe wegzunehmen ist eine sehr kurzfristige, sodass auch unter Umständen hin und wieder eine Fehlentscheidung dabei sein kann. Dafür bitten wir um Verständnis.
Wichtig ist jedoch eines: Grundsätzlich haben wir Fahrer mit unseren Fahrgästen ein gemeinsames Interesse:
Dem Streben nach pünktlichen Zügen, ohne Betriebs- oder Fahrzeugstörung. Fahrgäste möchten pünktlich ans Ziel, der Fahrer möchte pünktlich an der Endstation sein, um die Wendezeit (welche oft als Pause interpretiert wird) nutzen zu können.
Über den Autor
Simon Menrath ist 22 Jahre alt, kommt ursprünglich aus Worms und studiert in Frankfurt Filmproduktion. Seit Sommer 2015 unterstützt er den Fahrdienst der VGF als Aushilfskraft und springt ein, sobald er gebraucht wird. In der Freizeit fotografiert und filmt er gerne, hat aber auch Privat Interesse am Nahverkehr.
Marcial Methfessel
Gepostet am 09:04h, 15 DezemberEndlich mal eine sinnvolle und kluge Darstellung. ??
Uwe Nikol
Gepostet am 09:36h, 04 JanuarUnverständlich finde ich, das Fahrgäste tatsächlich mit Gewalt die Türen versuchen zu blockieren , obwohl die U – Bahn sehr häufig fahren. Besonders zu beobachten auf der Strecke Heddernheim zum Südbahnhof. Alle zwei Minuten fährt die Bahnen. Meist fahren Gäste nur zwei oder drei Stationen und dann sind es tatsächlich Türblockierer.
Felix
Gepostet am 14:51h, 28 OktoberWie können Türstörungen kommen und wie vermeid
Ihr diese Türstörungen