„Gleise 4.0“: Infrastruktur-Instandhaltung bei der VGF

Das Netz der VGF umfaßt 133,53 Kilometer Betriebsstreckenlänge, davon entfallen 64,85 auf die U-Bahn, die restlichen 68,67 auf die Straßenbahn. Neun U-Bahn- und zehn Straßenbahn-Linien beförderten im Jahr 2021 106,05 Millionen Fahrgäste, wobei diese Zahl noch immer die Auswirkungen der Corona-Krise spiegelt, bedenkt man, dass diese Größe im Vor-Corona-Jahr 2019 bei stattlichen 202,5 Millionen lag.

Ist vom U- und Straßenbahn-Betrieb die Rede, denken die meisten zuerst an die Fahrzeuge. Doch ohne Gleisnetz kein Betrieb. Die Schiene ist die erste Kontaktfläche der Fahrzeuge mit dem Gleiskörper. Hier auftretende Schäden haben gravierende Auswirkungen auf alle weiteren Bauteile des Oberbaus – und natürlich letztlich auf die Fahrgastbeförderung.

Um es vorweg zu nehmen: Instandhaltung der Infrastruktur ist unumgänglich, Investitionen in den Erhalt des Systems sind alternativlos. Das gilt dann auch für eventuelle Streckensperrungen.

Zustandsorientierte Instandhaltung

Die Instandhaltung der Gleisanlagen erfolgt heute nach der sogenannten „Zustandsorientierten“ oder auch „Korrektiven Instandhaltungsstrategie“. Die Grundlage hierfür bilden drei Teilprozesse:

  • Inspektion
  • Wartung
  • Instandsetzung

Keine Instandhaltung, bei diesem Gleisbau wird die Trasse komplett erneuert

Den Zustand der Gleise bilden so genannte Zustandsklassen ab, die sich am Schulnotensystem (Noten 1 bis 5) orientieren:

Note 1 – 2: keine Mängel; evtl. Schäden liegen innerhalb der Bautoleranz und machen keine Instandsetzung notwendig.

Note 3: erster Verschleiß sicht- und messbar; aber die Betriebssicherheit ist zu 100% gewährleistet. Abhängig von den leichten Schäden kann eine Instandsetzung wirtschaftlich sinnvoll sein.

Note 4: sichtbarer Verschleiß; hier muss die Instandsetzung erfolgen, evtl. sind Betriebseinschränkungen nötig

Note 5: die Mängel oder Schäden sind betriebsgefährdend; die sofortige Instandsetzung ist nötig, wo das nicht möglich ist, sind Betriebseinstellungen unumgänglich. Es erklärt sich von selbst, dass die VGF keine Schäden entstehen lassen möchte, die in diese Klasse fallen.

Die Einstufung der Mängel von Gleisanlagen in die jeweiligen Zustandsklassen ist exakt festgelegt und in einem Befund-Maßnahmen-Katalog definiert. Grundlage für die Einstufung bilden:

  • Betriebssicherheit
  • Leistungsfähigkeit
  • Wirtschaftlichkeit

Schienenverschleiß

Schienenverschleiß ist nicht gleich Schienenverschleiß, es gibt verschiedene Schadensbilder:

Riffel

  • Als „Riffel“ werden Wellen in Schienenlängsrichtung mit einer Wellenlänge von ca. 2 cm bis 10 cm bezeichnet
  • „Riffel“ treten periodisch in geraden Gleisabschnitten oder Bögen mit großen Radien auf
  • Visuelle Merkmale sind hellglänzende Berge mit verfestigten Oberflächenschichten und dunkle Täler mit verformten Oberflächenschichten
  • „Riffel“ führen zu einer hochfrequenten Oberbaubeanspruchung und Erhöhung der Fahrgeräusche

Riffel

Head Checks

  • „Head Checks“ sind feine, dicht beieinanderliegende Risse, die durch Rollkontaktermüdung vornehmlich an der Fahrkante auftreten
  • Sie entstehen an der Oberfläche und sind zu dieser hin offen
  • Mit der Zeit wachsen „Head Checks“ immer tiefer ins Innere der Schiene hinein, vereinen sich dort und sorgen im fortgeschrittenen Stadium für Ausbrüche und einer Schwächung der Schiene

Head Checks

Squats

  • „Squats“ treten als v-förmige oder halbkreisförmige Risse an der Fahrfläche auf
  • Die Risse verlaufen relativ flach unter der Oberfläche und bilden sich in zwei Richtungen aus
  • Es kommt zu einer Einsenkung der Fahrfläche mit durch Korrosion verursachter, bräunlicher Verfärbung

Squats

Aktuelle Situation

Das Fahrplan-Angebot in Frankfurt wurde und wird kontinuierlich ausgebaut und verbessert, durch

  • Linien- bzw. Taktverdichtung
  • Längere Betriebszeiten (24/7)
  • längere Züge (wo dies durch den Rahmen, den die Infrastruktur setzt – z.B. keine Verlängerung der Bahnsteige in unterirdischen Stationen – möglich ist).

Die bisher übliche und wirkungsvolle „Korrektive Instandhaltung“ stößt damit schon heute an ihre Grenzen. D.h.: der zunehmende Verschleiß der Bahninfrastruktur kann mit dem derzeitigem Instandhaltungs-Konzept allein nicht mehr kundenfreundlich und wirtschaftlich behoben werden.

Grundhafte Sanierungen stehen in einem Spannungsfeld: ein attraktives und dauerhaft zuverlässiges Verkehrsangebot auf der einen Seite, Arbeiten auf der anderen Seite, die – und sei es vorübergehend, z.B. in den Sommerferien – die Streckenverfügbarkeit zum Teil erheblich einschränken.

Last but not least: Gleisbau ist teuer. Allein im Jahr 2021 hat die VGF rund 18 Millionen € in diese Aufgabe investiert.

Wo will die VGF hin?

Die notwendige Verkehrswende sollte künftig nicht durch Baustellen ausbremst werden, denn diese führen – zumindest ab einem gewissen Umfang – nicht selten zu Betriebsunterbrechungen. Zwar ist eine sich selbst unterhaltende und instandsetzende Infrastruktur noch nicht erfunden worden, aber Streckensperrungen mit Schienenersatzverkehr sind unter Fahrgästen verständlicherweise nicht beliebt. Schon gar nicht, wenn auch ein anderer Akteur diese Arbeiten an seinem Netz durchführen muss – die DB. Hier finden natürlich Abstimmungen statt, aber terminliche Überschneidungen sind angesichts der Größe der Netze, deren Alters und – daraus folgend – deren Instandhaltungsbedarfs nicht immer zu vermeiden.

Gleisbau auf der Trasse der U2 in Nieder-Eschbach: grundhafte Erneuerung

Um besser aufgestellt zu sein, hilft der VGF eine neue Instandhaltungsstrategie, die als „Präventive Instandhaltung“ bezeichnet wird. Ihr Ziel:

  • die technische Nutzungsdauer des Streckennetzes zu erhöhen
  • die Zeiträume zwischen den grundhaften Gleiserneuerungen zu verlängern

Die „Präventive Instandhaltung“ ruht auf zwei Säulen: Zum einen dem Gleismonitoring, zum anderen der Schienenbearbeitung.

Beim „Gleismonitoring“ geht es darum, den Gleiszustand zu erfassen, bevor ein „wirklicher“ Mangel eintritt, der wiederum korrektive  Instandsetzungsarbeiten erfordert. Die Möglichkeiten hierzu:

  • mobile Messsensoren auf Fahrzeugen im Linienbetrieb
  • Messeinrichtungen auf Betriebs- bzw. Arbeitsfahrzeugen
  • Einsatz eins speziellen Messzugs

Über einen solchen Messzug, z.B. als Einbau in einen der jetzt zur Ausmusterung anstehenden „Pt“-Wagen analog zum Winterfahrzeug Nr. 2050, hat die VGF  bislang nicht entschieden.

„Schienenbearbeitung“ spricht für sich selbst. Da die Schiene die erste Kontaktfläche der U- und Straßenbahnen mit dem Gleiskörper darstellt, haben Schäden potentiell große Auswirkungen. Dynamische Anregungen, z.B. aus Verriffelungen der Schienenfahrfläche, können über die Schienenstützpunkte bis in den Unterbau des Bahnkörpers wirken. Die Langzeitfolgen sind Gleislagefehler, die zu Betriebseinschränkungen (Langsam-Fahrstellen) und schließlich zu aufwendiger Erneuerungen der Infrastruktur von Grund auf führen – mit den bekannten Auswirkungen.

Gleisbau für die Straßenbahn, hier an der Ecke Hanauer Landstraße / Zobelstraße

Wirtschaftlichkeit 

Die „Präventive Instandhaltung“ hat nicht nur betriebliche Vorteile, sondern auch wirtschaftliche. Mit einer Verlängerung der technischen Nutzdauer der Gleise erzielt die VGF:

  • eine höhere Verfügbarkeit
  • eine höhere Betriebsqualität

Ziel ist, die bisherige technische Nutzdauer des Fahrwegs von durchschnittlich bis 30 Jahren um rd. fünf Jahre zu verlängern. Diese Haltbarkeit ist je nach Abschnitt unterschiedlich, da verschiedene Faktoren Einfluss haben: liegt der Abschnitt im Tunnel oder oberirdisch? Wie groß ist die Belastung durch Linienbetrieb? (Gleise der „A“-Strecke haben eine kürzere Nutzungsdauer als z.B. auf dem Aussenast nach Enkheim). Wird der Abschnitt vom motorisierten Individualverkehr mit genutzt, was bei der Straßenbahn häufig der Fall ist?

Alles in allem könnte das die Investitionskosten für die Gleisinstandhaltung von jährlich rd. 15 bis 20 Millionen € um rd. drei Millionen € reduzieren. Im Jahr.

Instandhaltung an Straßenbahngleisen in Niederrad

Weiteres Vorgehen

Die Einführung der „Präventiven Instandhaltung“ geht einher mit dem Ausbau der eigenen Instandhaltung-Kapazität und der Modernisierung des für die Instandhaltung notwendigen Fuhrparks. In diesen Bereich fällt die Anschaffung neuer Fahrzeuge: des dreiteiligen Gleisarbeitsfahrzeugs (GAF) sowie zwei neuer Schienenschleif-Fahrzeuge.

So sollen sie aussehen: die zwei neuen Schienen-Schleiffahrzeuge der VGF

Beide Fahrzeuge wird die Fa. Windhoff aus dem nordrheinwestfälischen Rheine für die VGF bauen bzw. tut dies schon. Das GAF besteht aus drei Teilen und wurde auf der Innotrans 2022 gezeigt. Der erste Teil soll noch im Oktober 2022 an die VGF ausgeliefert werden soll. Ebenfalls auf der Innotrans erfolgte die Bestellung von zwei Schienen-Schleiffahrzeugen, die den Schleifzug aus den 70er Jahren ersetzen, der auf „K“-Wagen aus den 50er Jahren basiert.

Ein Teil des neuen Gleisarbeitsfahrzeugs der VGF, der Teil mit dem Kran, auf der Innotrans in Berlin

Infos auf der Internetseite der VGF

Informationen zum Gleisarbeitsfahrzeug hält die VGF auf ihrer Homepage bereit:

Neue Gleisarbeitsfahrzeuge | VGF (vgf-ffm.de)

Ebenso zur Beschaffung der Schleiffahrzeuge:

VGF vergibt Auftrag für zwei Schienen-Schleiffahrzeuge an die Firma Windhoff | VGF (vgf-ffm.de)

Bernd Conrads
B.Conrads@vgf-ffm.de
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