Ausschnitt: Person bei der Arbeit am Wagonrad

Kampf dem Quietschen

Die Dame, die sich bei der VGF beschwert, war gerade in Basel. „In Basel quietschen die Bahnen nicht“, ist sie sicher. „Nie!“ Nur in Frankfurt würde man das nicht in den Griff bekommen, hier würden alle Bahnen „erbärmlich kreischen“. Nachfragen oder der Hinweis, daß es zahllose Faktoren gibt, warum manche U- und Straßenbahnen in Kurven quietschen, andere baugleiche Fahrzeuge an derselben Stelle aber nicht, sind in diesen Fällen schwierig, weil von diesen Geräuschen geplagte Anwohner das als Abwiegeln und Ausreden verstehen. Und tatsächlich gibt es ja kaum etwas Nervenderes als Bahnen, die alle paar Minuten um die Kurve quietschen – und das genau vor der eigenen Wohnung.

Konfrontativ war die Stimmung auch auf der November-Sitzung des Ortsbeirats 3 (Nordend), als es um die Lärmemissionen der neuen „U5“-Wagen auf der am 8. Oktober wieder in Betrieb genommenen Linie U5 ging. Tatsächlich sind die Geräusche nicht überraschend, aber sie waren nicht vorhersehbar – ebenfalls ein von Anwohnern oft erhobener Vorwurf. Die Geräusche entstehen grundsätzlich beim Rad-Schiene-Kontakt, ob bei Geradeausfahrt oder in Kurven. Hier können sie aber laut sein oder unangenehme Frequenzen erreichen, die bei einem Linienbetrieb im 5-Minuten-Takt Anwohner natürlich extrem stören. Was die VGF dagegen unternimmt, ist beachtlich, geht aber häufig unter: Für 1,3 Millionen € rüstet das Unternehmen alle 224 U-Bahnen des Typs „U5“ mit Radschallabsorbern nach. 200 der Wagen sind ausgeliefert (Stand: Dezember 2016), davon sind zehn in der Zwischenzeit umgebaut. Noch in diesem Jahr sollen 30 weitere Sätze beschafft werden, nach Mittelfreigabe wird die Umrüstung in den Betriebswerksstätten fortgesetzt. Auch eine neue stationäre Schmieranlage auf dem Abschnitt hat die VGF innerhalb weniger Tage beauftragt, um das Quietschen und Dröhnen der Bahnen zu verringern.

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Nachrüstung von 224 Wagen

Dabei verdienen insbesondere die Absorber eine besondere Beachtung, denn der Einbau in 224 Wagen ist nicht nur eine Mammutaufgabe, die zu den regulär anstehenden Arbeiten hinzu kommt, sondern das Ergebnis eines langen Planungs-, Prüfungs- und Einführungsprozesses in der Stadtbahn-Zentralwerkstatt der VGF.

Vom Himmel fallen die Absorber nämlich nicht, vielmehr wurde seit Sommer 2013 an einer Nachrüstung gearbeitet, damals noch mit dem Hersteller der Radreifen, dem Bochumer Verein. Einen direkten Auslöser, das Quietschen und was sich dagegen tun läßt, auf die Tagesordnung zu setzen, gab es nicht. Die Möglichkeit, die Fahrzeuge entsprechend nachzurüsten, wurde aber schon bei ihrer Ausschreibung berücksichtigt. Da die Anforderungen an die Geräuschemissionen – bzw. ihre Reduzierung – steigen, wurde das Thema akut und nach diversen Versuchsfahrten mit Holzdummys führte der Weg schließlich zur Sprendlinger Firma Schrey & Veit und der heutigen Lösung. Für sie sprachen zwei Gründe: einerseits konnten die Absorber an die räumlichen Verhältnisse am Rad angepasst werden, andererseits natürlich die Wirkung. Von der ist die Werkstatt überzeugt: Sie geht von einer signifikanten Verbesserung der Geräuschemissionen der Bahnen aus. Die Rede ist von 7 bis 10 Dezibel – und damit einer hörbaren Abnahme der Geräusche.

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Metallplatten

Wie sieht so ein Absorber eigentlich aus? Wer jetzt an irgendetwas Trichterförmiges denkt, täuscht sich. Die der runden Radform angepaßten Platten – fast ein Viertelkreis – messen an der breitesten Stelle 340 mm und eine Stärke von 24 mm, wobei der größte Teil nach innen, in den freien Raum des Rads, ragt. Die von der VGF verbaute Ausführung ist aus Edelstahl, was auch das Gewicht von ca. 2,5 kg erklärt. Der Absorber besteht aus mehreren Metallplatten, dazwischen ein „Elastomer“, also ein elastisch verformbarer Kunststoff. Die Schwingungen werden am Rad auf die Absorber übertragen. Diese nehmen sie auf und wandeln sie in Wärme um, die Geräusche werden gedämpft oder zumindest teilweise absorbiert.

Mit der Montage der Absorber sind zwei Werkstatt-Mitarbeiter rund acht Stunden beschäftigt, also eine Schicht, denn pro Rad werden vier Absorber montiert und ein „U5“-Wagen hat zwölf Räder. Das erklärt auch, warum eine Nachrüstung von 224 Fahrzeugen nicht über Nacht erfolgen kann. Nach Montage der ersten beiden Absorber muß das Fahrzeug auf der Arbeitsgrube bewegt werden, um an den anderen Hälften der Räder zwei weitere Absorber anbringen zu können. Dazu werden die Schrauben entfernt, die in den Radreifen, den Außenringen der Räder, vorgebohrte Gewindelöcher verschließen. Diese Gewindelöcher sind die Befestigungspunkte der Absorber. Die Fahrzeuge sind damit also ab Werk für eine spätere Montage vorbereitet. Die Schrauben werden demontiert, die Gewindegänge nachgeschnitten und gereinigt, so daß die Absorber dann mit neuen Schrauben und Schraubensicherungsmasse, montiert werden können. Vor der Montage muß allerdings die Strombrücke am Rad verdreht werden. Diese Brücken sind nötig, da zwischen Radstern (quasi der Felge in der Radmitte) und Radreifen (dem genannten Außenring um den Radstern) ein Gummielement eingebaut ist, das zur Federung und somit auch zur Minderung der Geräusche beiträgt – aber eben auch die elektrische Verbindung zwischen Stern und Reifen des Rads unterbricht.

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Absorber in Straßenbahnen

Absorber sind für die Werkstatt nichts Ungewöhnliches: Alle 74 „S“-Wagen wurden beispielsweise schon beim Fahrzeughersteller Bombardier mit Absorbern der Firma GHH ausgerüstet und ausgeliefert. Der Grund: Straßenbahnen stehen in der Regel stärker wegen Geräuschemissionen in der Kritik, da sie ausschließlich oberirdisch verkehren und kleinere Kurvenradien fahren. Zwar konnte die Werkstatt von diesen Erfahrungen profitieren, da Aussehen bzw. Aufbau ähnlich sind. Die Absorber werden aber bei jedem Projekt speziell dem jeweiligen Rad und Fahrzeug angepasst. Ein und dasselbe Produkt kann für „S“- bzw. „U5“-Wagen daher nicht verwendet werden.

Absorber sind auch nicht die einzigen Möglichkeit, unliebsame Geräusche zu verringern oder ihre störende Frequenz zu verändern. Ganz unterbinden lassen sich Geräusche bei einem Rad-Schiene-System mit zwei Komponenten aus Stahl aber nicht. Bei der VGF kommen auch Spurkranzschmieranlagen am Fahrzeug und stationäre Schmieranlagen im Gleis zum Einsatz. Eine solche Anlage wird am Scheffeleck eingebaut.

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Erste Wagen für die U5

Warum die Straßenbahnen in Basel aber wie behauptet „nie“ quietschen? Darauf gibt es keine Antwort. Von heute auf morgen verschwinden die Fahrgeräusche von U- und Straßenbahnen nicht und nirgendwo, zumal auch die komplette Umrüstung der „U5“-Flotte sich über das Jahr 2017 streckt. Die VGF setzt die ersten nachgerüsteten Züge auf der Linie U5 ein. Zusammen mit der neuen Schmieranlage sollte das für eine hörbare Verbesserung im Nordend sorgen.

 

Wie genau die Montage der Radschallabsorber funktioniert, wird hier erklärt:

Bernd Conrads
B.Conrads@vgf-ffm.de
1 Kommentar
  • Jürgen Reinwald
    Gepostet am 11:43h, 24 Mai Antworten

    Ich erinnere mich daran, daß in Frankfurt U-Bahnen das Rad-Schiene Profil von Straßenbahnen haben. Also Zylindrisch. Das bedeutet. daß es in Kurven quietschen muß, da beide Räder starr gekuppelt sind. Damit haben sie die gleiche Drehzahl, aber der Weg des äußeren Rades ist länger. Das kann nur mit Schlupf = Gleiten = Quietschen gelöst werden.
    U-Bahnen die nicht quietschen fahren auf Rad-Schiene Profil von Eisenbahnen. Kann man das nicht auch in Fankfurt einführen?

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