Gleisstopfer in grüner Umgebung, weiter hinten Bauarbeiter auf den Schienen

Was wird an Gleisen gebaut?

Gleisbau. Busse ersetzen U-Bahnen, die Fahrzeiten verlängern sich, voll sind sie außerdem. Und gerade zu Beginn eines solchen „Schienenersatzverkehrs“, wie er jetzt auf der U2 und U9 eingerichtet wurde, ist die Umstellung ungewohnt. Alles in allem: bei Fahrgästen ist das nicht beliebt.

Aber nicht zu verhindern, denn Gleise, Schwellen, Unterbau, das alles kommt in die Jahre, wird im ständigen Betrieb belastet, verwittert, muß im Abstand einiger Jahre erneuert und instand gesetzt werden. Genau dies macht die VGF auf dem seit Montag gesperrten oberirdischen U-Bahn-Abschnitt Kalbach – Nieder-Eschbach.

Und das mit einigem Aufwand: Eigentlicher Grund der Sperrung ist die Sanierung der Überfahrt des Unteren Kalbacher Wegs. Dort haben sich im Lauf der Zeit so genannte Kleineisen an den Schwellen gelöst, wodurch die Schiene nicht mehr richtig befestigt war. Folge: Bei jeder Überfahrt – egal ob Bahn oder Auto – hat sich die Schiene bewegt, die Kleineisen weiter gelöst und den Asphalt beschädigt. In der Regel beseitigt die VGF solche Schäden schnell und im Rahmen kleinerer Reparaturen, die während der Betriebspausen oder sogar unter Betrieb ausgeführt werden. Der Vorteil: eine Sperrung ist nicht nötig, der Betrieb rollt, Fahrgäste bekommen davon nichts mit. Aber auf Dauer ist das keine umfassende Sanierung, es ist ein „Herumdoktern“ an den Symptomen – die „echte“ Sanierung wird nur verschoben, nicht aufgehoben. Die komplette Sanierung der Überfahrt steht jetzt auf dem Programm.

„Komplett“ heißt: die Göppinger Gleisbaufirma Leonhard Weiss baut ein Gleisstück von 50 Metern pro Fahrtrichtung vor, im und hinter dem Bahnübergang bis auf eine Tiefe von einem Meter unter der Straßenoberfläche aus und ersetzt Unterbau, Schwellen und Schienen vollständig. Auch eine neue Asphaltdecke – gelb eingefärbt im Bereich der Fußgänger-Überwege – kommt zum Schluß drauf.

Die neu verlegten Gleise werden mit den Enden der liegen gebliebenen Schienen verschweißt. Diese Verbindung wird „Stoß“ genannt. Hierzu wird Stahl mit einem Thermitpulver erhitzt, das aus Aluminium, Eisenoxid (verrosteter Schrott aus Nagelspitzen) und einigen Legierungselementen besteht. Der heiße Stahl wird in den kleinen Zwischenraum zwischen den Schienen verfüllt. Die Zündtemperatur liegt bei ca. 1.200 Grad, bei der aluminothermitischen Reaktion allerdings bei 2.450 Grad.

Der spektakuläre Vorgang dauert alles in allem rund anderthalb Minuten, ist damit aber natürlich nicht abgeschlossen.

Kühlt der Stoß ab, wird sorgfältig geschliffen, so daß er für das bloße Auge kaum zu erkennen ist. Spüren sollten Fahrgäste ihn beim Überfahren eh nicht.

500 Tonnen Schotter

Das Verlegen neuer Gleisstücke und das Verschweißen ist nicht alles. Rund 500 Tonnen Schotter werden im Zuge der Arbeiten in dem Abschnitt ausgetauscht. Die Arbeiter von Leonhard Weiss haben deshalb an diesem Mittwoch (25.10.’17) auch ihre Universal-Stopfmaschine 08-275/4 ZW-Y im Einsatz. „Schwarzer Peter“ haben sie ihr Gerät genannt, ein geradezu harmloser Name für den gelben 45-Tonnen-Koloss. Tempo ist bei seiner Arbeit nicht gefragt, der Gleisstopfer bewegt sich Stück für Stück vorwärts, hält und verrichtet zwischen den Schwellen seine nicht ganz lautlose Arbeit. Das Stopfen als Teil des Gleisbaus ist notwendig, um den frisch eingefüllten Schotter zu verdichten und damit den Schienenstrang zu stabilisieren. Aber die Gleise werden damit auch korrigiert und in die richtige Lage gebracht.

Da die Baustelle – hier: der Bahnübergang – einmal „auf“ ist, konnten in diesem Zuge auch neue Leerrohre für die Signaltechnik gelegt werden, denn in den nächsten ein bis zwei Jahren ist der Austausch der alternden Schrankenanlage vorgesehen. Dadurch müssen wir die Straße nicht nochmal aufbrechen.

Die Sperrung der Strecke nutzen wir auch für anderen Arbeiten, so die Erneuerung kleiner Übergänge von Feld- und Radwegen, die dann auch wieder ihren gelb eingefärbten Asphalt bekommen. „Schattenarbeiten“ werden diese Arbeiten genannt, weil sie im (Wind-)Schatten der Hauptmaßnahme erfolgen. Die VGF versucht, soviel notwendige Aufgaben wie möglich zu verrichten, wenn ein Abschnitt schon mal gesperrt ist. Allerdings: Gegenseitig behindern dürfen sich Arbeiten und Baufirmen auch nicht.

Kunststoff-Schwellen

Weiter im Norden von Kalbach, Richtung Nieder-Eschbach, ist zum Beispiel die Duisburger Firma Gasthaus mit dem Wechsel einzelner Schwellen beschäftigt, die das Ende ihrer „Lebenszeit“ erreicht haben. Der Gasthaus-Bagger bekommt dazu eine spezielle Saug-Vorrichtung, mit dem der Schotter zwischen den Schwellen entfernt, nämlich ausgesaugt, wird. Nach Lösen der Verschraubung kann die marode Holzschwelle unter der Schiene hervor gezogen und gegen neue Holz- oder Kunststoffschwellen ausgetauscht werden; der Schienenstrang selber bleibt unverändert liegen.

So werden im Abschnitt rund 400 einzelne marode Schwellen getauscht – wie gesagt, der Zahn der Zeit macht vor ihnen nicht halt. Auf dem Stück zwischen Bonames Mitte und Nieder-Eschbach verlegen wir 130 unserer neuen Kunststoffschwellen, die dort getestet werden. Schon auf der „A-Strecke“ entlang der Eschersheimer Landstraße haben wir im Sommer auf einem Teilstück testweise solche Schwellen eingebaut. Denn das Problem mit den von uns seit Jahrzehnten verwendeten Schwellen: Die alten Holzbalken erhielten ihre notwendige Langlebigkeit durch eine satte Teer-Imprägnierung. Aus Umweltschutzgründen sind solche geteerten Schwellen heute nicht mehr erlaubt, ohne den Teer hält die Eiche aber nicht lang genug. Die Kunststoffschwellen dagegen sind aus recyceltem Material – vom Jogurtbecher bis zur Windel wurde alles wiederverwendet. Sie sind extrem langlebig, an anderer Stelle im Netz wieder einzubauen und später wieder verwendbar. Kein unwichtiger Punkt: alte Holzschwellen haben nahezu den Status von Sondermüll, die Kosten für ihre Entsorgung sind etwa so hoch wie für ihre Anschaffung

Gestopft wird das Gleis anschließend auch hier. Allerdings nicht mit dem „Schwarzen Peter“, sondern mit einer zweiten Spezialvorrichtung am Bagger. Von Baggern, Spezialvorrichtungen und Stopfmaschinen sollte man sich indes nicht täuschen lassen: Gleisbau ist und bleibt Hand- und Knochenarbeit. Ohne die Schaufel geht nichts.

Die Arbeiten im Frankfurter Norden dauern täglich von 7 bis 20 Uhr. Und wie immer stehen die Arbeiten unter immensem Zeitdruck, denn Vollsperrungen einzelner Abschnitte, die U- oder Straßenbahn-Linien unterbrechen und zu umfangreichen Umleitungen einerseits, zu groß angelegten und bei den Fahrgästen nicht beliebten Ersatzverkehren führen, müssen so kurz wie möglich gehalten werden. Der Abschnitt soll schon am Samstag, zum Betriebsbeginn, wieder von U2- und U9-Zügen befahren werden. Günstig wären da Nachtarbeiten, doch dieses Interesse der VGF kollidiert mit dem von Anwohnern, die über die Arbeiten von Saugbaggern und Stopfmaschinen um 3 Uhr nachts nur mäßig begeistert sind. Am Unteren Kalbacher Weg waren die Anwohner aber eher dankbar für die Arbeiten, denn der marode Zustand des Übergangs führte bei Überfahrt von Bahnen und Autos gleichermaßen zu erheblichen Geräuschbelästigungen.

Am Samstagmorgen sind die Arbeiten abgeschlossen, erkennbar sind die Anstrengungen der letzten fünf Tage dann nur an dem „frischen“ Schotter im Gleisbett.

Wir danken unserem Kollegen Benedikt Stender (Teamleiter Fachteam Instandsetzung / Arbeitsvorbereitung) für die Informationen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bernd Conrads
B.Conrads@vgf-ffm.de
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