Historisches Schwarz-Weiß-Bild Betriebshof Gutleut

100 Jahre Betriebshof Gutleut

Depot, Betriebshof, Betriebswerkstatt, Betriebsbahnhof – es gibt viele Namen für eine Anlage wie an der Mannheimer Straße. Sie alle bezeichnen eine Liegenschaft der VGF, die als Abstellanlage und Werkstatt für Schienenfahrzeuge genutzt wird. Im Fall von Gutleut – neben Heddernheim und Ost einer von drei Betriebshöfen des Unternehmens, Eckenheim wird zur Zeit nur als Abstellanlage genutzt – handelt es sich heute um ein reines Straßenbahn-Depot. Zwischenzeitlich waren hier aber auch Omnibusse und U-Bahnwagen untergebracht. Letztere, Wagen des lange genutzten Typs „U2“, schoben via Messe, Schloßstraße und Industriehof auf die Linie U7 ein.

Gutleut verströmt mit seinen nüchternen Hallen leider nicht den Charme, den die alten Wagenhallen an der Heidestraße (Bornheim) und der Hedderichstraße (Sachsenhausen) noch heute und gerade auch in ihrer modernen Nutzung auszeichnet. Aber die Anlage „lebt“, man sieht ihr die ständigen Erneuerungen, Verbesserungen und Erweiterungen an, ob das die Werkstatt, die Fahrschul- und Aufenthaltsräume oder renovierte WC-Anlagen sind. Als kürzlich das Light Rail Commitee der UITP in Frankfurt tagte und die VGF in Gutleut das Fahrer-Assistenz-System (FAS) sowie die modernen Fahrschulsimulatoren vorführte, sagte ein Besucher aus Leipzig: „Das ist noch ein richtiger Straßenbahn-Betrieb.“ Und das wer keineswegs abwertend gemeint.

2019

Von dem Depot werden heute die Linien 11, 12, 14, 15, 16, 17, 19, 20 und 21 bedient. Im Einsatz sind Niederflur-Straßenbahnen der Frankfurter Typen „R“ und „S“. Zur Erklärung: In Frankfurt werden seit Inbetriebnahme der ersten Straßenbahn die Baureihen mit Buchstaben bezeichnet, die erste Tram war also der „A“-Wagen. Insgesamt sind 38 „R“-, 52 „S“- und vier „P“-Wagen hier untergebracht. Außerdem ist Gutleut die Heimat der Ebbel-Ex-Flotte, denn wenn „der Ebbel-Ex“ auch immer im Singular genannt wird, so sind es doch vier identische Motorwagen des Typs „K“ und sechs Anhänger. Auch die fahrbereiten Tram-Veteranen der Baureihen „L“ (mit Anhänger), „M“ (ebenfalls mit Beiwagen), „N“, „O“ und ein weiterer „P“ stehen hier, außerdem der „P“-Wagen Nr. 2050, das „SchneeschieBÄR“ genannte Winterdienst-Fahrzeug. Für diese Fahrzeuge stehen 2,68 Kilometer Abstellgleis zur Verfügung, nachts ist der Hof damit pickepacke voll.

Werkstatt

Die Bahnen werden in Gutleut von der Werkstatt fahrfertig für den täglichen Linien-Einsatz gemacht. Diese Arbeiten umfassen die Wartung von Wischwasser, Bremssand und Beleuchtung, die Innen- und Außenreinigung, die Entfernung von Vandalismus-Schäden – bei der VGF soll kein beschädigter oder verschmierter Zug in den Linien-Einsatz kommen – kleinere Reparaturen und die Beseitigung von leichten Unfallschäden inkl. der Nachlackierung. Außerdem arbeitet die Werkstatt die monatlich, halbjährig, jährlich und alle zwei Jahre wiederkehrenden Wartungen, sogenannte „Fristen“, ab. Die großen Fristen mit umfangreicheren Arbeiten werden in der Stadtbahn-Zentralwerkstatt in Rödelheim erledigt.

Drei Gleise stehen in der Betriebswerkstatt zur Verfügung, gleichzeitig können hier Arbeiten auf drei Dacharbeitsständen – moderne Fahrzeuge haben nicht nur die Stromabnehmer und Teile der Elektrik auf den Dächern, sondern auch die Klimageräte – und sieben in den Arbeitsgruben ausgeführt werden. Die Werkstatt, die im Drei-Schichtbetrieb rund um die Uhr arbeitet, ist mit diesen Aufgaben der Arbeitsplatz von 23 Mitarbeitern.

Fahrdienst

Sie ist der eine große Teil des Betriebshofs, der andere ist der Fahrdienst. Von Gutleut werden rund 325 der insgesamt 785 Schienenbahnfahrerinnen und –fahrer, die die VGF beschäftigt, eingesetzt. Zum Tagesgeschäft der Disponenten gehört, alle Linienfahrzeuge zur richtigen Zeit mit Fahrpersonal zu besetzen. Klingt selbstverständlich, aber wer auch nur einmal kurz in das Thema „Dienstplangestaltung“ eingetaucht ist, kennt die Untiefen und Riffe, die hier unter der scheinbar glatten Oberfläche lauern. Neun Fahrdienstgruppenleiter kümmern sich darüber hinaus als direkte Vorgesetzte um die fahrenden Kolleginnen und Kollegen.

1919

Der Betriebshof wird seit der Übernahme durch die Städtische Straßenbahn vor 100 Jahren als Fahrzeug-Depot und Werkstatt genutzt. Eröffnung war am 16. Juni 1919. Aber die Anlage ist deutlich älter: 1896 eröffnete die Frankfurter Trambahn-Gesellschaft in der günstigen Nähe des am 18. August 1888 eröffneten Hauptbahnhofs ein zweistöckiges Pferdebahndepot. Auch Pferdebahnen gab es schon vorher: Der 19. Mai 1872 gilt als Geburtsdatum der Frankfurter Straßenbahn, denn an diesem Tag verband erstmals ein von einem Pferd gezogener Wagen den Schönhof und die Bockenheimer Warte.

Der Bau in Gutleut 1896 war Ergebnis einer Erfolgsgeschichte: 205 Wagen mit rund 900 Pferden sorgten Ende des 19. Jahrhunderts auf 16 Linien mit einer Gesamtlänge von 30,5 Kilometern für öffentlichen Nahverkehr in Frankfurt. Nach dem Siegeszug der „Elektrischen“ – die Frankfurt-Offenbacher-Trambahn-Gesellschaft eröffnete im Februar 1884 die Strecke zwischen Frankfurt und Offenbach – waren noch bis 1908 1-PS-Wagen auf einzelnen Linien unterwegs. Am 10. April 1899 nahm die erste „Elektrische“ in der Stadt ihren Betrieb auf. Die Strecke führte vom Palmengarten über den Opernplatz, die Untermainbrücke, Lokalbahnhof und Obermainbrücke bis Bornheim. Passanten sollen bei der Jungfern-Fahrt jubelnd stehen geblieben sein, das wünschte man sich heute auch.

Die Stadt Frankfurt sprang Ende des 19. Jahrhunderts auf diesen Zug auf und machte von ihrem Recht Gebrauch, die Konzessionsrechte der Frankfurter Trambahn-Gesellschaft aufzukaufen. Zum Zeitpunkt der Vertragskündigung zum 1. Januar 1889 gingen alle betriebenen 15 Linien in den städtischen Betrieb über. Die Linie Rödelheim – Bockenheimer Warte wurde erst am 1. August 1900 Eigentum der Stadt, 1904 wurde sie als letzte Strecke elektrifiziert. Dem wachsenden Betrieb musste die Infrastruktur angepasst werden, nach Fertigstellung des Betriebshofs Eckenheim 1911 insbesondere im Frankfurter Westen.

 

Aus- und Umbau

Zeit also, neue Depots anzulegen, ältere Anlagen zu erweitern oder durch Umbauten für die elektrische Straßenbahn nutzbar zu machen. Im Mai 1914 begannen die Arbeiten in unmittelbarer Nähe des 1896 eröffneten Pferdedepots an einem neuen Betriebshof für die elektrische Straßenbahn, um den wachsenden Anforderungen gerecht zu werden. Der Rohbau stand – trotzt der nach Kriegsbeginn ungünstigen Rahmenbedingungen – schon Anfang 1915, bis Ende des Jahres wurde fertiggebaut. Die Nutzung war zunächst aber eine andere als geplant, denn die Hallen wurden der Kriegsleder-Aktiengesellschaft als Lager überlassen. Erst 1919 wurde die Anlage von der Städtischen Straßenbahn übernommen und mit ihrer eigentlichen Bestimmung eröffnet. Der Betriebshof hatte damals zwölf Hallengleise und ein Freigleis. 1924 erfolgte die erste Erweiterung um vier Freigleise, um die Kapazitäten der Anlage zu erweitern: zwei Hallen für 72 Wagen entstanden, inklusive der notwendigen Gleisharfen nördlich und südlich der Hallen. 1929 folgte der Bau einer zweiten Halle. Gutleut, das damals noch nicht so genannt wurde, verfügte damit über 20 Hallen- und Freigleise.

Auch andere Betriebseinrichtungen wurden nach und nach hier angesiedelt: 1927 zog die Fahrschule ein, ein Jahr später wurde die neben dem Betriebshof gelegene Wohnhausgruppe (Boyenstraße) mit 56 Betriebswohnungen bezugsfertig. Und weiter ging es: 1929 zogen 70 Omnibusse des neuen Omnibus-Betriebshofs in Gutleut ein, die vorher an der Gneisenaustraße (heute Mannheimer Straße, 1947 umbenannt) abgestellt waren. Straßenbahnen mussten für die neue Werkstatt weichen, acht Gleise wurden für sie neu gebaut. Ende der 20er Jahre hatte der Betriebshof 32 Gleise, acht davon waren nicht in Betrieb.

In einer dritten und letzten Ausbaustufe 1936 – Bau-Planung und -Vorbereitung hatten 1935 begonnen – folgte der Bau einer dritten Halle, nachdem zuvor ein weiteres Gleis angelegt worden war. Das Depot verfügte kurz vor dem Zweiten Weltkrieg über 29 Hallengleise.

Krieg und Wiederaufbau

1939 folgten dann Modifizierungen anderer Art, so wurden hier wie in anderen Depots Luftschutzanlagen eingerichtet. Durch Bombenangriffe im Laufe des Kriegs – erstmals am 22. März 1944, danach nochmals am 12. September 1944 – wurden Depot und Fuhrpark der städtischen Straßenbahn schwer beschädigt. 26 Trieb- sowie 23 Bei- und ein Arbeitswagen wurden komplett zerstört, noch bis Anfang der 50er Jahre dauerte die Verschrottung der nicht mehr zu rettenden Fahrzeuge. Nach 1945 folgte der Wiederaufbau, später wurde das Depot auch wieder von der Betriebsfahrschule genutzt und Unterrichtsräume für Schaffner gebaut. 1947, mit Umbenennung der alten Gneisenaustraße, erhielt auch der Betriebshof seinen heute gebräuchlichen Namen. Schaffner beschäftigt die VGF heute nur noch für den Ebbel-Ex, aber die Betriebs-Fahrschule, in der sechs Ausbilder dafür sorgen, neue Fahrerinnen und Fahrer auf ihren Job vorzubereiten, hat hier noch immer ihren Sitz, seit 2017 erweitert um fünf Simulatoren für Straßen- und U-Bahn.

Nach rund 30 Jahren zogen 1959 die Busse aus, als am 10. Mai des Jahres der Betriebshof Rebstock in Betrieb genommen wurde, die dann verwaiste Bushalle wurde bis zur Reaktivierung des Trambetriebs 1963 vorübergehend von der Polizei genutzt. Zwar lagen noch die Gleise, doch in neue Gleisharfen investierte die Stadt immerhin 230.000 D-Mark. 1964 wurde die Sanierung abgeschlossen und die Hallengleise 13 bis 20 standen für die Tram-Bahnen zur Verfügung. Nachdem 1968 der Leitungsbau den Bussen in den Rebstock folgte, war Gutleut ein reines Straßenbahn-Depot.

Modernisierung in den 70ern

Mitte der 70er Jahre wurde der Betriebshof noch einmal grundlegend modernisiert. Statt des alten Gleisdreiecks, über das die damals üblichen Einrichtungs-Fahrzeuge gewendet wurden, erhielt der Betriebshof eine Umfahrung, die durch die Hallen führt. Nachgerüstet wurden eine neue Wasch- und Revisionshalle sowie eine Radsatzdrehbank, die Gleise 12 bis 23 wurden verlängert. 1988 erhielt die Werkstatt zusätzlich eine Unterflurdrehmaschine. Durch die Modernisierung in den 70ern entfielen zwei Hallengleise, im Oktober und November 2015 verlängerte die VGF die Gleise 1–3, nach Abbruch einer Begrenzungsmauer, bis an die Grundstückgrenze zur Gutleutstrasse. So entstand zusätzliche Abstellfläche für drei Straßenbahnen.

Die VGF wünscht sich angesichts einer größer werdenden Flotte – von 2020 an werden die ersten Bahnen der neuen Tram-Generation „T“ geliefert – einen weiteren Ausbau, der aber im dichten Bestand des Gutleutviertels leider nur schwer möglich ist.

100 Jahre Gutleut – VGF öffnet den Betriebshof

Am Sonntag, 16. Juni, jährt sich die Inbetriebnahme für die elektrische Straßenbahn zum 100. Mal. Anlass für die VGF, die Tore ihres Betriebshofs zu öffnen. Präsentiert werden die Fahrzeuge „K“, „L“, „M“, „N“, „O“, „P“, „R“ und „S“ in einer fotogenen Fahrzeugschau. Außerdem stellt die VGF zwei Bahnen aus, die sonst im Verkehrsmuseum stehen und die Schwanheimer Mauern schon lange nicht mehr verlassen haben: den FOTG- und den „H“-Wagen. Zu sehen sein werden weiterhin ein „U2“-Wagen und der SchneeschieBÄR 2050. Die VGF bietet zwischen 11 und 18 Uhr Werkstatt-Führungen und Fahrten in den Simulatoren an. Zu erreichen ist der Betriebshof an der Mannheimer Straße 117 mit allen U-, S- und Straßenbahnen, die am Hauptbahnhof halten, von dort fährt die Bus-Linie 37 (Haltestelle „Heilbronner Straße“) oder, stilecht, ein kostenloser Shuttle mit einem „O“- sowie zwei „P“-Wagen.

Der Eintritt ist natürlich frei, die VGF freut sich auf Ihren Besuch! Hier geht’s zur Facebook-Veranstaltung.

Bernd Conrads
B.Conrads@vgf-ffm.de
6 KOMMENTARE
  • Jonathan Dingert
    Gepostet am 16:14h, 28 Mai Antworten

    Der Beitrag ist dich etwas älter? Inzwischen betreibt doch Gutleut auch die 18 und die 14 nur mit ein paar Kursen wie bei der 11 und 12. Auch die Fotos sind älter. Wagen 007 (Der in der Werkstatt) ist mittlerweile doch der Eintrachtzug. Und Wagen 033 (In der Waschanlage) war damals noch mit Maggie beklebt. Mittlerweile ist der Wagen wieder SVB und hat VGF-eigenwerbung. Trotzdem freue ich mich auf die Feier.

    • ich liebe Klugsch...
      Gepostet am 11:26h, 29 Mai Antworten

      Oh mein Gott!!! Wie fürchterlich…

  • Bernd Conrads
    Gepostet am 16:22h, 28 Mai Antworten

    Der Text ist aktuell. Die Linien werden wir recherchieren, vielleicht war da die Information fehlerhaft, die uns zu Grunde lag. Tatsächlich haben wir auch ältere Bilder verwendet, da die z.T. besser als aktuelle waren. Den „Maggie“-Wagen gibt’s tatsächlich nicht mehr, wichtig war uns hier aber die Waschstraßen-Situation. *bec.

  • Hans-Joachim Stockmann
    Gepostet am 22:50h, 28 Mai Antworten

    Ein wunderbarer Beitrag. Ich habe früher die Anlage regelmässig aus dem Zug gesehen, wenn ich zur Arbeit fuhr. In den 60er Jahren habe ich mich als Kind über jede Strasse in der Innenstadt gefreut, welche Strassenbahnschienen hatte. Noch öfter war ich damals mit der Strassenbahn am Depot Bockenheimer Warte vorbeigefahren. Hier ist heute keine Ausstrahlung mehr da, weil keine Schienen mehr vorhanden sind. Die Halle kann alles mögliche sein, aber nicht auf den ersten Blick ein ex Depot. Deshalb hoffe ich, das dies Depot noch lange in Betrieb bleibt.

  • Wolfgang Ilmer
    Gepostet am 18:03h, 16 Juni Antworten

    Ich war am 16.06. dabei.
    Eine gelungene Veranstaltung.
    Vielen Dank !

    • Bernd Conrads
      Gepostet am 11:09h, 17 Juni Antworten

      Das freut uns, vielen Dank. Uns hat’s auch Spaß gemacht. *bec.

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