Das Aufzugsnachrüstungs-Programm der VGF

Die VGF macht weitere Stationen barrierefrei

53 Jahre ist die U-Bahn in Frankfurt alt, auf neun Linien liegen 84 Stationen, davon 27 unterirdisch. Aber: noch immer sind nicht alle dieser 27 barrierefrei. Warum auch immer: einige der Anlagen wurden bei ihrem Bau nicht mit Aufzügen ausgestattet. Vielleicht war das den Bauherren in den 70er Jahren zu teuer, vielleicht fehlte schlicht das Bewußtsein für die Probleme von Menschen, die in ihrer Mobilität und Bewegungsfreiheit eingeschränkt sind, und sei es nur vorübergehend.

Ein Programm, acht Stationen

Die VGF hat deshalb schon 2004 ein „Aufzugsnachrüstungs-Programm“ aufgelegt, das zum damaligen Zeitpunkt acht Stationen umfaßte: „Holzhausenstraße“, „Grüneburgweg“, „Miquel- / Adickesallee“, „Eschenheimer Tor“, „Schweizer Platz“ (alle U1, U2, U3, U8), „Kirchplatz“, „Alte Oper“, „Westend“ (alle U6, U7).

Aufzugsnachrüstungs-Programm. Ein Wort-Ungetüm, das in seiner Sperrigkeit ahnen läßt, mit welchen Problemen, Schwierigkeiten und manchmal auch Widerständen die VGF beim nachträglichen Einbau von Aufzügen in unterirdische Stationen konfrontiert wird. Dabei sollte ein solcher Einbau eigentlich alle glücklich machen, immerhin nehmen Stadt und VGF beträchtliche Mittel in die Hand, unter siebenstelligen Beträgen ist diese Verbesserung der ÖPNV-Qualität pro Aufzug nicht zu bekommen. Aber die Widerstände sind vielfältig: mal sind Anwohner zwar prinzipiell dafür, erwarten aber einen Einbau ohne Lärm oder – wenn es sich um eine Innenstadt-Station handelt – Verkehrsbeeinträchtigungen. Der Erhalt von Bäumen ist wichtig, ebenso von Parkplätzen – o.k., diese Bedenken nehmen ab, fast scheint es, als seien einige geradezu froh, Parkplätze entfernen zu können. Ganz anders bei Radwegen. Auch Geschmacksfragen kommt eine unerwartete Bedeutung zu.

Trotzdem ist in 17 Jahren viel geschehen: In der Station „Holzhausenstraße“ gingen im Mai 2008 die ersten zwei nachgerüsteten Aufzüge in Betrieb, in der Station „Grüneburgweg“ sowie am „Kirchplatz“ im Dezember 2009 zwei bzw. einer. Ein weiteres Jahr später, im Oktober 2010, konnten wir einen Aufzug in der Station „Alte Oper“ in Betrieb nehmen, im September 2015 vier Anlagen in der Station „Miquel- / Adickesallee“. Zwei Aufzüge folgten zwischen Dezember 2015 und April 2016 an der Station „Schweizer Platz“. Und schließlich machten zwei Aufzüge die Station „Eschenheimer Tor“ im März 2018 barrierefrei.

Damit sind sieben der acht im ursprünglichen Programm aufgelisteten Stationen barrierefrei. An der letzten Station dieses Programms, „Westend“, laufen die Arbeiten seit Anfang März 2021, an der 2004 auf der Liste noch fehlenden Station „Römerstadt“ haben sie Ende August 2021 begonnen.

U „Westend“

Die für  Nachrüstung typischen Probleme stellten sich bei der Planung des Aufzugs – oder der Aufzüge? – für die Station „Westend“: Der Mittelbahnsteig liegt so unglücklich unter der Oberfläche, dass sich – soweit die Straße betroffen ist – kein Standort als wirklich ideal herausstellte. Der kürzeste und günstigste Weg zwischen Bahnsteig und Oberfläche, für den auch nur ein Aufzug nötig ist, ließ ihn mitten auf der Bockenheimer Landstraße rauskommen, die notwendige und von der VGF hierzu geplante Verkehrsinsel wurde bei der Vorstellung im Ortsbeirat höhnisch beklatscht.

Es folgten lange Gespräche und die stets auf Kosten betroffener Fahrgäste gehenden Verzögerungen. Letztlich setzte sich die genannte Lösung durch: Der Aufzug entsteht seit März 2021 und wird auf einer neuen Verkehrsinsel an der Ecke Bockenheimer Landstraße / Myliusstraße an die Oberfläche kommen. Für dieses Vorhaben wurden im Frühjahr vier Bäume gefällt, im Anschluss an die Arbeiten pflanzt die VGF entlang der „Bockenheimer” acht neue.  Die Arbeiten, die ein Auftragsvolumen von 3,3 Millionen Euro umfassen, dauern voraussichtlich bis September 2022.

U „Römerstadt“

Der Abschnitt Nordweststadt (heute Nordwestzentrum) – Römerstadt ging am 29. September 1974 in Betrieb, rund sechs Jahre nach Eröffnung der ersten U-Bahnstrecke Hauptwache – Nordweststadt. Die Station verfügt über zwei Zugangsbauwerke, die zum Teil einen großen Höhenunterschied aufweisen: von der Hadrianstraße unterhalb der Rosa-Luxemburg-Straße einerseits, über die Straße „In der Römerstadt“ andererseits. Aufzüge wurden damals in der Station nicht eingebaut.

Notwendiger Gleisbau

Die Arbeiten zur nachträglichen Herstellung der Barrierefreiheit begannen Ende August mit Gleisbau, denn die Oberkanten der im Moment zwischen 54 und 56 cm hohen Bahnsteige können nicht verändert werden, um einen stufenlosen Ein- und Ausstieg zu ermöglichen. Stattdessen senkt die VGF seit 30. August 2021 die Gleise auf einer Länge von 660 Metern um rund 25 cm ab. Diese Möglichkeit war beim Bau der Strecke in den 70er Jahren durch Einbringung einer „dicken“ Schotterdecke im Gleisbett ausdrücklich vorgesehen. Jetzt baggert die VGF 1.400 Tonnen Schotter aus, mit ca. 900 Tonnen neuem Schotter wird das Gleisbett wieder aufgefüllt. Mit einer Stopfmaschine wird die Gleislage anschließend exakt ausgerichtet – was simpel klingt, ist dringend notwendig, die Züge sollen nach Bauende schließlich nicht gegen die Bahnsteigkanten stoßen. 

Eine Kante von fünf auf fünf Zentimetern läßt sich allerdings an den Bahnsteigen auch durch diese Arbeiten nicht vermeiden, um ein Aufsetzen der Fahrzeugtüren zu verhindern. Die VGF will deshalb mit einer Gummikante am Bahnsteigrand den Abstand beim Einstieg auf drei Zentimeter verringern.

Neben den Gleisen werden auch die Schwellen im Baufeld komplett ausgewechselt: ca. 970 neue Betonschwellen ersetzen die durch Witterung verschlissenen Holzschwellen.

Gearbeitet wird von Montag bis Freitag von 7 bis 17 Uhr, an Freitagen bis 15 Uhr. Nachtarbeiten sind nicht vorgesehen. Der Gleisbau endet am 9. Oktober 2021, ca. 20 Uhr. Den Betrieb nimmt die VGF am 10. Oktober wieder auf, die letzte Nacht wird zur Bereitstellung der eingesetzten U-Bahnen benötigt.

Zwei neue Aufzüge

Die Aufzugs-Nachrüstung soll 2022 beginnen. Voraussetzung hierfür ist der Umbau von vorhandenen und nichtöffentlichen Technikräumen in der Zwischenebene.

Um die Aufzüge barrierefrei an das Zugangsbauwerk anzubinden, ist eine neue Verbindung zur Brücke „In der Römerstadt“ nötig. Die neuen Aufzüge selbst werden eine Fahrkorbgröße von 1100 x 2100 cm haben, was groß genug für Rollstühle, Kinderwagen, Fahrräder und Sanitäter mit einer Rettungsliege ist. Sie sind „Durchlader“, verfügen also über Türen auf beiden Seiten. Außerdem verbinden sie A-Ebene und Bahnsteige ohne Halt, beides vermeidet für Fahrgäste Richtungswechsel zwischen Ein- und Ausstieg. Um den Durchgang vom Bahnsteig zum Aufzug zu ermöglichen, werden die bestehenden Schlepprampen vollständig zurück gebaut und eine neue Stahlbetonzwischendecke hergestellt.

Die Stationsbeschilderung erneuert die VGF im selben Zug, wobei die Hinweise auf die Aufzüge zunächst fehlen, denn die gehen erst später in Betrieb.

Stations-„Facelift“

Mit dem barrierefreien Umbau geht eine Art “Facelifting” der 50 Jahre alten Station einher: Sie wird von außen originalgetreu renoviert und mit einem Graffiti-Schutz versehen. Ein modernes Lichtkonzept sowie neue Oberlichter und Fenster verbessern die Lichtverhältnisse. Darüber hinaus modernisiert die VGF die Technik und installiert eine neue Lautsprecheranlage und digitale Zugziel-Anzeiger (DFI). Auch neue Infovitrinen und Sitzgelegenheiten gehören zur Planung.

Die Gesamtkosten für Aufzüge, Einbau, Gleisbau und „Facelift“ belaufen sich auf ca. 7 Millionen €, davon ca. 450.000 € für den Gleisbau.

U „Holzhausenstraße“

Sieben Stationen konnte die VGF bis jetzt von ihrer Liste streichen. Die erste nachgerüstete Station war eine der ältesten im VGF-System, die am 4. Oktober 1968 an der damals brandneuen „A“-Strecke eröffnete Station „Holzhausenstraße“. „A“-Strecke heißt der Abschnitt, weil er zwischen dem damaligen Theaterplatz und Dornbusch die erste U-Bahnstrecke der Stadt war. Es folgten am 26. Mai 1974 der „B“-Streckenabschnitt Scheffeleck-Konstablerwache-Theaterplatz für die Linien U4 und U5 sowie am 11. Oktober 1986 die „C“-Strecke mit dem Abschnitt Industriehof – Zoo, auf dem die Linien U6 und U7 verlaufen. Die im Februar 2001 eröffnete Verbindung zwischen Hauptbahnhof und Bockenheimer Warte – mit einer barrierefreien Station „Festhalle / Messe“ – gilt als erster Teil einer „D“-Strecke und wird intern als „DI“ bezeichnet. Die „DII“ wäre dann der Lückenschluß zwischen Bockenheimer Warte und Ginnheim, der wegen seines Verlaufs inzwischen umstritten ist.

An der Holzhausenstraße mußten zwei Aufzüge geplant und gebaut werden, da diese Station genau wie der weiter südlich gelegene „Grüneburgweg“ über zwei Seitenbahnsteige verfügt. Die Arbeiten verliefen damals  weitgehend problemlos. Diverse Leitungen, Kanäle und Rohre mußten verlegt werden, denn Aufzugsschächte waren in der Eschersheimer Landstraße ursprünglich nicht vorgesehen. So verhält es sich bei allen Arbeiten, die in einer gewachsenen Großstadt nötig sind, egal ob es sich um Stations-Modernisierungen handelt wie entlang der Linie U5 oder die Erneuerung von Gleisen und Weichen wie im Sommer 2021 an der Gleiskreuzung Hanauer Landstraße / Zobelstraße.

U „Grüneburgweg“, „Kirchplatz“ und „Alte Oper“

In den Stationen „Grüneburgweg“ und „Kirchplatz“ gingen ein Jahr später, im Dezember 2009, zwei Aufzüge bzw. eine Anlage in Betrieb. Für die Station „Alte Oper“ reichte ebenso wie am Kirchplatz wegen des Mittelbahnsteigs ein Aufzug. Der war aber gleich mehrfach umstritten, denn die eingangs erwähnten Widerstände sind vielfältig: In einer über Jahrzehnte nach dem U-Bahnbau in den 60ern und 70ern weiter gewachsenen Straße liegen diverse Ver- und Entsorgungsleitungen – vom Telefonkabel bis zum Abwasserkanal. Die müssen durch vorbereitende Arbeiten erst umgelegt werden, was den Einbau verteuert und die Arbeiten verlängert.

Auf dem Opernplatz wirkten vor allem ästhetische Erwägungen hemmend: Als die VGF die Planungen für den Aufzug in der Station „Alte Oper“ bekannt machte, wurden nicht nur Bedenken laut, die VGF verschandele mit ihrem „häßlichen“ Aufzugsgehäuse (siehe unten) an der Oberfläche einen der wenigen urbanen Plätze in der Innenstadt, sondern auch der Architekt der Station meldete sich und brachte ähnliche Kritik hinsichtlich seines künstlerischen Entwurfs vor. Bei der Inbetriebnahme im Oktober 2010 waren dann alle glücklich und der filigrane Glasbau des Aufzugs stört weder das Ensemble von Alter Oper und Opernplatz noch das Tonnengewölbe der Station.

U „Miquel- / Adickesallee“ und „Schweizer Platz“

Vier Aufzüge waren an der Station „Miquel- / Adickesallee“ notwendig, was der weitläufigen B-Ebene und vor allem der großen Kreuzung darüber geschuldet war. Zwei Aufzüge führen an der nordwestlichen und der südöstlichen Ecke von der Oberfläche auf die B-Ebene, da die Station Seitenbahnsteige hat, waren von hier auf die Fahrebene zwei weitere Fahrstühle notwendig. Die Kosten lagen mit rund 5,44 Millionen € entsprechend hoch, wurden aber zu 67 % vom Land Hessen gefördert. Ohne diese Förderung wären VGF und Stadt angesichts des Umfangs dieses sinnvollen Programms finanziell überfordert.

In Betrieb gingen sie im Spätsommer 2015, leider in zwei Etappen, weil der Einbau des nordwestlichen Aufzugs länger als geplant dauerte: Hier war umfangreicherer Kanalbau nötig als gedacht, was in solchen Fällen auch nicht die VGF ausführt, sondern zuständige Ämter oder andere städtische Firmen – schließlich wissen wir bei der VGF, wie ein U-Bahnsystem am Laufen zu halten ist, Leitungen mit Strom, Gas, Wasser oder Telekommunikation überlassen wir lieber den Experten.

Am Schweizer Platz sollten ursprünglich zwei normale Vertikalaufzüge am südlichen Bahnsteigende die Oberfläche mit B-Ebene und Bahnsteig verbinden. Tatsächlich hätten dafür Bäume gefällt werden müssen, was in Sachsenhausen zu einem Aufschrei führte. In der Folge hat die VGF einen Vertikal- und einen Schrägaufzug eingebaut, die im Dezember 2015 bzw. im April 2016 in Betrieb gingen.

Diese Inbetriebnahme hatte sich mehrfach verzögert. Für Außenstehende kaum nachvollziehbar, aber die Insolvenz eines Aufzugsherstellers – in diesem Fall des Schrägaufzugs, was eben keine Anlage von der Stange, sondern eine teure Sonderanfertigung ist – macht es der VGF nahezu unmöglich, genannte Termine exakt zu halten.

U „Eschenheimer Tor“

Glatter lief es an der Station „Eschenheimer Tor“. Hier verbindet ein Aufzug die Oberfläche mit der B-Ebene und dem Bahnsteig stadteinwärts, ein zweiter die B-Ebene mit dem anderen Bahnsteig. Hier ist also, genau wie an der Station „Miquel- / Adickesallee“, ein Umsteigen nötig, wenn man Richtung Norden fahren und den Aufzug nutzen möchte. Die Lage des Aufzugsgehäuses in der nordwestlichen Ecke der Kreuzung Eschersheimer Landstraße / Bockenheimer Anlage war für einmal unkritisch: keine Bäume auszugraben, keine Parkplätze, die entfallen. Beide Aufzüge, die am nördlichen Ende der Bahnsteige positioniert sind, sind „Durchlader“, also mit zwei Türen: Rollstuhlfahrer können in den Aufzug einfahren und ihn auch vorwärts wieder verlassen.

Der Einbau war mit ca. 1,7 Millionen € veranschlagt, das hessische Wirtschafts- und Verkehrsministerium hatte sie mit 835.000 € gefördert. „Zu einem attraktiven ÖPNV gehören auch gut zugängliche und komfortable Stationen und Haltestellen. Deshalb ist das Geld gut angelegt“, hatte Hessens Verkehrsminister Tarek Al-Wazir damals gesagt und damit den Gedanken, der für die VGF bei Auflegung des Nachrüstungsprogramms leitend war, auf den Punkt gebracht.

U „Güterplatz“ und „Niddapark“

Heute ist der Bau einer Untergrund-Station ohne Fahrtreppen und Aufzüge undenkbar. Die einzige zurzeit im Bau befindliche Tunnelstation, jene am Güterplatz, die zur Verlängerung der U5 ins Europaviertel gehört, wird selbstverständlich barrierefrei sein.

Bleibt die Station „Niddapark“: Hier sind, neben Steintreppen, Aufzüge zu den beiden Seitenbahnsteigen vorhanden, die schweren und wiederholten Vandalismus-Schäden – inklusive Verschmutzungen, die an dieser Stelle nicht beschrieben werden sollen – haben die VGF veranlaßt, sie dauerhaft außer Betrieb zu nehmen. Wie an der Station „Römerstadt” sind die Bahnsteige zur Zeit ca. 56 cm hoch; die Schienen können auch hier durch Ausbaggern des Gleisbetts abgesenkt werden, was beim Bau schon berücksichtigt wurde.

Die Modernisierung ist abhängig vom Bau einer S-Bahn-Station durch die DB, denn das würde Niddapark zu einer für Pendler interessanten Umsteige-Station im Frankfurter Nordwesten machen und die Zahl der Fahrgäste erhöhen. Damit würde die soziale Kontrolle verbessert, was zu weniger Zerstörungstaten führen sollte. Leider ist so ein Bau durch die DB aber Zukunftsmusik.

Einzelheiten zu dem Programm und zum aktuellen Stand der Arbeiten im Westend und am Eschenheimer Tor finden sich auf der VGF-Website.

 

Bernd Conrads
B.Conrads@vgf-ffm.de
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