Schienenschleiffahrzeug an einer unterirdischen Haltestelle an der Personen in orangener Arbeitskleidung stehen.

Schienenschleifen hält die Infrastruktur einsatzbereit

Der gemeine Gleispilz hält die VGF auf Trab. Ausgehend von den Bohlen überzieht seine pelzige Struktur die Gleise von U- und Straßenbahnstrecken – besonders in dunklen und feuchten Tunnelabschnitten – und kann im schlimmsten Fall die Trassen dauerhaft schädigen oder zumindest das Fahrverhalten der Bahnen nachteilig beeinflussen. Dieser Pilz muß rechtzeitig abgehobelt werden, um die Strecken betriebsbereit und sicher zu halten, weswegen die VGF in regelmäßigen Abschnitten ihre Schienen schleifen läßt.

So in etwa muß man sich Schienenschleifarbeiten vorstellen, wenn man den „Aansachen“ von Badesalz glaubt, die von Mai an sporadisch in U-Bahnen und Straßenbahnen der VGF zu hören sein werden. Der „Gleispilz“ wird da als Grund für Betriebsunterbrechungen genannt, wie sie im Monat April auf A- und B-Strecke den U-Bahnverkehr beeinträchtigen. Allein: mit einem Pilz hat das natürlich nichts zu tun, mit einem „Gleispilz“ noch weniger.

Routinemäßige Instandhaltung

Schienenschleifen ist eine routinemäßige Instandhaltung des stählernen Fahrwegs. Schienen haben, je nach Belastung, eine Lebensdauer von 20 bis 25 Jahren. Die Belastung des Fahrwegs durch Antriebs- und Bremskräfte der modernen Züge ist enorm, auf der A-Strecke tut der extrem enge Fahrplan – und mithin die simple Zahl der Fahrten – ein Übriges. Denn: je besser der Fahrplan, also je enger und kundenfreundlicher der Takt, desto höher Materialbelastung und -verschleiß.

Damit Schienen trotzdem in gutem Zustand ein hohes Alter erreichen, sollten sie alle drei bis vier Jahre geschliffen werden. Dabei werden zwischen 0,6 und 1 mm abgeschliffen; Rillen, Dellen, Riffel oder andere Unebenheiten, die auch den Fahrkomfort beeinträchtigen können, werden bei dem Vorgang von den eingesetzten Spezialmaschinen entfernt. Zuviel sollte von der Schiene nicht runterkommen, beim Fräsen wären es etwa 4 mm, was die Lebenserwartung der Schiene erheblich verkürzen würde. Und das wäre teuer, ihr kompletter Ersatz weit vor dem Ende ihrer möglichen Einsatzzeit und Lebensdauer nötig.

Kolossales Spezial-Fahrzeug

Schleifzüge hat kein Verkehrsbetrieb im Fuhrpark, sie werden deshalb von Spezialfirmen angemietet. Eine solche Maschine ist im Monat April im VGF-Netz im Einsatz. Sie kommt von der Firma SPENO International SA aus Genf. Der achtachsige Zweirichtungs-Zug in markantem Gelb ist eine Spezialanfertigung, die SPENO in Lizenz in Italien bauen läßt. Die in Frankfurt eingesetzte Maschine ist nahezu „flammenneu“: Baujahr 2016. Ihr erst dritter Einsatz. 29,91 Meter lang ist sie, das zulässige Gesamtgewicht beträgt statte 74,4 Tonnen. Bei diesen Maßen ist schon der Antransport des Kolosses sehenswert, denn der Tieflader, der den Fünfteiler nach Frankfurt bringt, dürfte der größte Lkw sein, der überhaupt eine Zulassung für die Straße bekommt. Drei Schleifer pro Seite hat das Fahrzeug und kann damit neben der 1435 mm-Normalspur, wie die VGF sie nutzt, vier weitere Spurweiten schleifen – Straßenbahnen in Freiburg oder Würzburg fahren zum Beispiel auf der schmaleren Meterspur. Und das natürlich nicht nur bei Stadtbahn- oder Straßenbahn-Betrieben, sondern auch auf der Eisenbahn, wie unlängst bei der Rhätischen Bahn im schweizerischen Graubünden. Angetrieben wird der 70-Tonner von einem BlueTec-Dieselmotor, wobei die Filter so gut sind, daß in den Stationen und Tunneln von Abgasen kaum etwas zu spüren ist. Nur leise ist sie nicht, zumindest nicht von außen.

In den beiden Fahrerständen, die mit Computern, Bildschirmen, Displays, Druckern, Bedienkonsolen und Instrumententafeln vollgestopft sind, ist davon wiederum wenig zu hören. Der Schleifvorgang ist hier ein leicht sägendes, gleichbleibendes Geräusch, die Tunnelwände werden vom Schein der schlagenden Funken erhellt und tauchen die sonst dunkle Röhre in ein gespenstisches Licht. Der Funkenschlag der Maschine ist so stark, daß Unrat oder Müll im Gleis in Brand geraten können. Eine entsprechende Vorreinigung, gerade der Stationsbereiche, tut daher not, denn so ein Gleis wird von erstaunlich vielen Fahrgästen als Müllkippe wahrgenommen und genutzt. Neben der zum Teil immensen Staubentwicklung ist das ein Grund, warum in den Stationen entlang des zu schleifenden Abschnitts so genannte Brandwachen aufgestellt werden, die – im besten Fall – nichts anderes zu tun haben, als zur Sicherheit anwesend zu sein.

Staub und Funken

Doch auch wenn das Gleisbett wie beim Schleifen am Hauptbahnhof gewässert wird, kann der Staub die Feuerwehr auf den Plan rufen, denn die Brand- und Rauchmelder in den Stationen sind empfindlich. Und im Gemeinschaftsbauwerk Hauptbahnhof ist auch die DB mit im Spiel, eine verrauchte B-Ebene oder eingenebelte S-Bahnsteige können hier zu Fehlalarmen führen, die nicht so schnell aufgeklärt werden können, wie in einer Station in alleiniger Verantwortung der VGF.

Die Staubentwicklung ist beim Einsatz vor Ostern auf der D1-Strecke zwischen HBF, Festhalle / Messe und Bockenheimer Warte zunächst aber nicht übermäßig groß, dennoch kontinuierlich. Auch die kleinen Wasserwerfer kommen zum Einsatz, die an den Spitzen der Maschine montiert sind und aus insgesamt 3.000 Liter fassenden Tanks gespeist werden. Trotzdem ist es im Tunnel nach den ersten zwei Fahrten auf dem stadtauswärtigen Gleis leicht diesig, es riecht ein bißchen verbrannt. Besagter Unrat, der auf diese Weise endgültig beseitigt wird.

Zur Ausstattung der Fahrerkabinen gehören ein paar bequeme Sessel, denn die Schicht ist lang und gearbeitet wird im Sitzen. „Auf dem Bock“ sitzen vier Mitarbeiter der Firma SPENO, die den April über – und wenn sie nicht arbeiten – in einem Frankfurter Hotel untergebracht sind. Es wird vorzugsweise Italienisch gesprochen. Aber das nicht allzu viel, denn die Handgriffe sind routiniert, die Arbeitsabläufe einstudiert. Auch ist die Zeit knapp, denn die Schleifer müssen sich die Sperrpausen mit weiteren Arbeiten an Gleisen, Weichen und anderen technischen Einrichtungen entlang der Tunnelstrecken teilen. Linien ganz zu unterbrechen, wie das im April über mehrere Tage am Stück geschieht, ist die Ausnahme. Nicht kundenfreundlich, zur Instandhaltung des Systems gleichwohl unerläßlich und daher auf ein Minimum zu beschränken. Und wenn ein Abschnitt schon mal gesperrt ist, muß die VGF eben möglichst viele verschiedene Arbeiten erledigen. So zum Beispiel auch in der sonst unter Betrieb kaum „freien“ Wendeanlage hinter der Station „Südbahnhof“.

Den Hauptteil der Schleifarbeit macht ohnehin die Maschine selbst, die sich in den Kabinen durch leises Piepen der Meßinstrumente bemerkbar macht. Sonden messen den vor der Maschine liegenden und zu schleifenden Gleisabschnitt, um zum Beispiel verborgene Brüche zu finden, die dem bloßen Auge entgingen, die aber – unentdeckt – zu veritablen Schienenbrüchen führen könnten, die einerseits ein Sicherheitsrisiko darstellen, andererseits aber garantiert zu langfristigen und teuren Ausbesserungen führen würden. Eine potentielle Betriebsunterbrechung, die die Fahrgäste dann auch länger behindert, als das eigentliche Schleifen.

Arbeitslos wird das Personal aber trotz aller Technik, der Sonden und Laser, keineswegs, ersetzt werden sie durch die Maschine und ihre Hightech-Ausstattung nicht. Die Meßgeräte erfassen unterschiedliche Fehler, zu denen auch kleine Risse in den Schienen gehören können, der Fahrer stellt die Maschine dann manuell und individuell ein. Denn auch auf einem gleichmäßig von Zügen befahrenen Abschnitt wie zwischen Hauptbahnhof und Bockenheimer Warte ist der Zustand der Schienen unterschiedlich. Besagte Rillen, Dellen, Riffel und andere Unebenheiten sind nicht unbedingt nach nur einer Schleiffahrt beseitigt; um eine glatte Schienen-Oberfläche wieder herzustellen, die dann einen ruhigen Lauf der U-Bahnen gewährleistet, sind mitunter vier und mehr Fahrten über denselben Abschnitt nötig. Wie oft also ein Abschnitt letztlich geschliffen werden muß, entscheidet anhand der Schleif-Protokolle die Crew, die den kontinuierlich gemessenen Vorgang überwacht.

Auch zum Wechsel der Schleifscheiben ist das Personal unerläßlich. Pro Schicht geschieht das zweimal, in Anspruch nimmt so ein Wechselvorgang rund zehn Minuten. Zum „Dienst während der Benutzung“ gehört auch das Auffüllen der Wassertanks.

Betriebsunterbrechung in Ferienzeiten

Um den „richtigen“ Zeitpunkt des Schleifens und die damit verbundene Betriebsunterbrechungen fest zu legen, orientierte sich die VGF natürlich an den Osterfeiertagen, wenn weniger Fahrgäste unterwegs sind. Besonders auf der A-Strecke, dem Herzstück des Frankfurter U-Bahnsystems: mehr als 90.000 Fahrgäste nutzen hier werktags die Bahnen, in den Ferien rund 25% weniger. Natürlich heißt das für SPENO und die VGF-Kollegen aus der Abteilung „Fachteam Schweißtechnik“ dann zu arbeiten, wenn andere – auch die eigene Familie – frei haben. Dann natürlich sind auch Mitarbeiter der VGF beim nächtlichen Schleifen im Schichtbetrieb vor Ort, um die Arbeiten zu koordinieren und zu überwachen.

Der erste Einsatz in diesem Jahr war am 4. April. Die Maschine stand zunächst im alten Depot Eckenheim, über die Eckenheimer Landstraße ging es dann am Scheffeleck in den Tunnel. Der Aufmerksamkeit konnte sich das gelbe Ungetüm bei dieser Überführung sicher sein, auch auf den Bahnsteigen der Station „Konstablerwache“, in der während der Sperrpause zwischen Bockenheimer Warte und Konstablerwache U4 und U5 wendeten, wurden eifrig Handys gezückt und Fotos geschossen. Immerhin: Für eine neue U-Bahn wurde der gelbe Zug nicht gehalten.

Den ganzen Monat über ist die Maschine zunächst auf der B-Strecke (Linien U4 und U5), dann über Ostern auf der A-Strecke (U1, U2, U3 und U8) und schließlich in Oberursel im Einsatz (U3). Bei maximaler Leistung schleift sie 350 Meter in der Stunde, läuft alles optimal kann ein 2.000 bis 2.300 Meter langer Abschnitt während einer Schicht geschliffen werden, wobei zur Schicht ebenso die Ein- und Ausschiebefahrten und der genannte Schleifscheiben-Wechsel gehören.

Vier Abschnitte hat sich die VGF in diesem Frühjahr vorgenommen: Bockenheimer Warte – Konstablerwache, Südbahnhof – Miquelallee, Seckbacher Landstraße – Konstablerwache und schließlich Oberursel Bahnhof – Hohemark. Alles in allem rund 30 Kilometer Gleis, die auf dem Programm stehen. Darunter würde sich der Einsatz des Spezialgeräts gar nicht lohnen. Rund 320.000 € läßt sich die VGF die Schienen-Kosmetik kosten, fast 16.000 € pro Schicht. Die Investition in die Erhaltung und Erhöhung der Lebensdauer der Infrastruktur ist natürlich mehr als Kosmetik, gleichwohl alternativlos und letztlich gut angelegtes Geld. Und die 320.000 € sind nur die finanziellen Aufwendungen für die Maschine. Der zum Beispiel über Ostern auf der A-Strecke notwendige Schienenersatzverkehr mit Bussen ist in den Kosten noch nicht einmal eingerechnet.

Nix „Gleispilz“

Gleispilz oder echte Schäden an Schienen und Fahrweg zu beseitigen, kostet also nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Und die auf den ersten Blick für Fahrgäste unschöne Behinderung („Jetzt bauen die ja schon wieder!“) läuft auf das hinaus, was alle Infrastrukturarbeiten der VGF ausmacht, sei es der barrierefreie Umbau von Haltestellen und Stationen oder der nachträgliche Einbau von Aufzügen: Das System – und damit das eigentliche Angebot – nach Abschluß der Arbeiten verbessert wieder zur Verfügung zu stellen und dem Kunden so einen spür- und erfahrbaren Mehrwert zu bieten.

Also: Schienenschleifen – gib‘ dem Gleispilz keine Chance!

Bernd Conrads
B.Conrads@vgf-ffm.de
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