Ausschnitt einer Bahn vor dem Betriebshof bei sonnigem Wetter

Eine Insel mit fünf Bahnen…

Seit 29. März wird entlang der Eckenheimer Landstraße geschafft: Die VGF baut die Stationen „Musterschule“ und „Glauburgstraße“ barrierefrei um. Für die Anwohner und Geschäftsinhaber im Nordend ist das eine Operation am offenen Herzen ihres Stadtteils, die mit zum Teil erheblichen Einschränkungen verbunden ist. Daß insbesondere Anwohner sich darüber freuen, daß nach Ende der Arbeiten gegen 20 Uhr die „Eckenheimer“ viel ruhiger ist als gewohnt, daß die sonst viel befahrene Straße ein unvergleichliches Flair bekommen hat und über das Nordend hinaus ausstrahlt, soll an dieser Stelle für einmal auch nicht verschwiegen werden.

Die Ankündigung von VGF-Geschäftsführer Michael Budig, daß mit Ende der Arbeiten und Wiederinbetriebnahme der Linie nach den Sommerferien moderne „U5“-Stadtbahnen zum Einsatz kommen, hat viele Fahrgäste gefreut: Gerade die beiden Stationen, die jetzt komplett erneuert werden, waren der Grund, warum mit den „PtB“-Wagen aus den 70er Jahren für lange Zeit altes Rollmaterial im Einsatz blieb: Die Stationen ähnelten eher Straßenbahn-Haltestellen, moderne U-Bahnen, die wegen ihres hohen Fahrzeugbodens entsprechend hohe Bahnsteige benötigen, konnte die VGF auf der U5 nicht einsetzen. Die „PtB“ verfügten dagegen über eine unschlagbare Sonderausstattung: Klapptrittstufen. Durch diese war sowohl die Anfahrt an die Hochbahnsteige im Tunnel als auch an die Tram-Haltestellen in der „Eckenheimer“ möglich, an denen die Fahrgäste letztlich auf der Fahrbahn in Straßenmitte ein- und ausstiegen.

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Nichts ist bekanntlich haltbarer als ein Provisorium in Frankfurt. Dieses erwies sich als praktisch, aber unbequem: Die Stufen der „PtB“ sind hoch und steil, Ein- und Ausstieg mit Kinderwagen oder Gepäck sind so – nicht nur für ältere oder behinderte Fahrgäste – eine Herausforderung. Und einfach mal die Mittelstange ausbauen – wie die VGF das bei den U-Bahntypen „U2“ und U3“ gemacht hat, um den Eingang zu verbreitern – war eben genau wegen des steilen Einstiegs nicht möglich: Es hätte laute Proteste gehagelt, wenn die zum Ein- und Ausstieg als unverzichtbar angesehene Mittelstange auch nur an einer Türe plötzlich verschwunden wäre.

Doch viele Nostalgiker sehen dem Ende der Bauarbeiten mit zwei weinenden Augen entgegen, denn die Betriebsaufnahme wird das Ende der „PtB“-Wagen-Ära in Frankfurt bedeuten. Nach dem „U2“-Abschied im April ist das der zweite „Klassiker“, der jahrzehntelang das Stadtbild und den Frankfurter ÖPNV prägte, und nun in Rente geht.

Zwischen 1973 und 1978 wurden die Fahrzeuge angeschafft, zunächst als Straßenbahnen, dann – nach den Verbreiterungen an den Türen, wegen der auffallenden rotweißen Kennzeichnung kurz „Blumenkübel genannt – auch auf der Stadtbahn. Auf allen Tram-Linien waren sie zu sehen, ebenso auf den U-Bahn-Linien U5, U6 und U7.

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Inselbetrieb

Zurzeit fahren einige der Veteranen aber noch – und zwar einen ungewöhnlichen „Inselbetrieb“: Fünf Solowagen pendeln zwischen den Stationen „Marbachweg / Sozialzentrum“ und „Preungesheim“. Südlich des Marbachwegs stellen Busse die Anbindung an die Konstablerwache her, wo wiederum die U4 verkehrt. Die U5 verkehrt von ca. 6 Uhr bis ca. 20 Uhr 30 im 7/8-Min.-Takt, von ca. 20 Uhr 30 bis ca. 22 Uhr im 10-Min.-Takt, von ca. 22 Uhr bis ca. 1  Uhr im 15-Min.-Takt und von 1 Uhr bis Betriebsende im 25/30-Min.-Takt.

„Inselbetrieb“, das heißt: die rund 2,5 Kilometer lange Strecke mit ihren insgesamt sechs Stationen – alle modern und barrierefrei umgebaut – ist an keiner Stelle mit einer anderen U-Bahnlinie verknüpft; auch nicht mit einer aktiven und einsatzbereiten Werkstatt.

Für den Betriebshof Ost, der die Bahnen u.a. auf der U5 wartet und zum Einsatz vorbereitet, ist genau das eine Herausforderung, denn das heißt auch, daß die üblichen Reparaturen oder „Fristen“, wie die regelmäßigen Untersuchungen genannt werden, nicht im Heimatdepot im Riederwald ausgeführt werden können. So erlebt der alte Betriebshof Eckenheim eine unerwartete Renaissance, denn die dortige Werkstatt mit ihren Gruben wird während der Bauarbeiten wieder genutzt. Sieben „PtB“-Wagen stehen seit März in Eckenheim, davon zwei als Reserve; vier weitere sind im Ost abgestellt und warten auf ihren Einsatz.

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Eckenheim-Revival

Die alte Eckenheimer Werkstatt ist jeden Werktag zwischen 7 und 13 Uhr mit zwei Mitarbeitern aus dem BH Ost besetzt. Sie übernehmen die täglichen Routinearbeiten an den Fahrzeugen wie den Sicherheits-Check, bei dem Bremsen nachgestellt sowie Innen- und Außenbeleuchtung und Türen auf ihre Funktion geprüft werden. Rund 20 Minuten dauert das pro Fahrzeug, ohne diese tägliche Prüfung gehen die Bahnen nicht in Betrieb.

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Ein Lager für Kleinteile, z.B. Leuchten, hat die Werkstatt in Eckenheim angelegt. Größere Reparaturen sind so aber nicht möglich. Auch für eine so genannte F3-Frist, in deren Rahmen die Räder vermessen und die Fahrschalter gewartet werden, fehlen Ersatzteile und Werkzeuge. Pro Fahrzeug wird diese Frist alle vier Monate fällig, für die Arbeiten sind vier bis fünf Mitarbeiter nötig, sie dauern fünf bis sechs Stunden – zu aufwendig für eine nur provisorisch besetzte und ausgestattete Werkstatt.

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Sightseeing im VGF-Netz

Deshalb macht sich ein- oder zweimal in der Woche ein „Zwilling“ aus dem Riederwald auf den Weg nach Eckenheim, um dort abgestellte „PtB“ zu ersetzen, die dann wiederum zur Wartung nach Ost gebracht werden. Unter normalen Umständen ist das kein Problem, denn der moderne Betriebshof im Riederwald liegt an der „C-“ und „B-Strecke“ und bestückt deshalb neben den Linien U4, U6 und U7 eben auch die U5 – die Zufahrt über Seckbacher Landstraße und Konstablerwache ist eine Fragen von 20 bis 30 Minuten.

Doch jetzt ist sie im Nordend gesperrt. Um die „U5“-Insel zu erreichen ist ein abenteuerlicher Weg durch das Frankfurter Netz notwendig: Von Ost fahren die Bahnen über die „C-Strecke“ (U6 und U7) einmal durch die Stadt Richtung Heerstraße, setzen am Industriehof über die Breitenbachbrücke um und gelangen über Straßenbahngleise (Linie 16) in Ginnheim zur Endstation von U1 und U9. Von da aus führt die Fahrt über die „A-Strecke“ bis zum Abzweig Marbachweg unmittelbar nördlich der Station „Dornbusch“. Dessen Weiche ist, da im Regelbetrieb nicht genutzt, verschlossen und muß zum Abzweigen auf- und danach wieder verschlossen werden.

Alles in allem und ein paar rote Signale eingerechnet kann so eine Stadtrundfahrt, Verzeihung: Überführungsfahrt, bis zu zwei Stunden dauern. Oft übernimmt das die Betriebsfahrschule der VGF, sei es, daß Fahrlehrer die Bahnen fahren oder für Schüler eine Lehrfahrt angesetzt wird. Die Werkstatt entlastet das erheblich, denn die hat zwar ausgebildete Fahrer für solche Aufgaben, nur stehen die dann den halben Tag für nichts anderes zur Verfügung.

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Weiternutzung der Werkstatt

Die Werkstatt in Eckenheim wurde im Sommer 2003 außer Betrieb genommen: Die Kollegen haben abends Eckenheim ab- und am nächsten Morgen den neuen Betriebshof Ost aufgeschlossen. Die VGF hat die Anlage aber weiter genutzt. Zum einen als Abstellhalle für drei „PtB“-Zwillinge, die von hier aus die U5 bestückten – eine Regelung, die die VGF auch nach Inbetriebnahme mit den modernen „U5“-Wagen beibehält. Zum anderen hat der Fahrzeughersteller Bombardier hier Arbeiten an den seit 2003 gelieferten „S“-Straßenbahnen ausgeführt. Und die VGF plant in Eckenheim weitere Arbeiten an ihrer Fahrzeug-Flotte: Zukünftig sollen alle VGF-Bahnen in einem rollierenden System eine neue Funkausstattung bekommen, um an das ITCS-Leitsystem – kurz für „Intermodulares Transport- und Kontroll-System“ – der neuen Betriebsleitstelle angeschlossen zu werden. Von den Betriebshöfen Heddernheim, Gutleut und Ost – alleine hier sind rund 200 U- und Straßenbahnen betroffen – wird dann immer mindestens ein Wagen in Eckenheim bearbeitet.

Und dabei geht es nicht „nur“ um die U- und Straßenbahnen, die im Linieneinsatz sind, sondern auch um die vier Ebbel-Ex-Garnituren, andere historische Fahrzeuge und alle Arbeitswagen der VGF. Pro Fahrzeug kalkulieren wir mit bis zu drei Tagen für die Umrüstung – ein Zeit-, Platz- und Arbeitsaufwand, der in den regulären Betriebswerkstätten oder der Zentralwerkstatt in Rödelheim nicht zusätzlich zu leisten wäre. Eckenheim also noch zur Verfügung zu haben, hat sich nicht nur wegen der temporären U5-Sperrung als großer Vorteil für das Unternehmen erwiesen.

Vorbild Berlin?

Nun kann manch einer sagen: „Is‘ ja alles nich‘ so dolle, guck‘ Dir Berlin an.“ Stimmt! Für den Inselbetrieb der Linie U55 zwischen Brandenburger Tor und Hauptbahnhof muß die BVG einen noch größeren Aufwand betreiben, denn das Teilstück ist ebenfalls nirgendwo ans restliche U-Bahnnetz angeschlossen, trotzdem pendelt auf der 1,8 Kilometer langen „Kanzler-U-Bahn“ ein einsamer U-Bahnwagen, der instand gehalten werden will. Als der Solitär von einem Kran in den Tunnelstutzen gesetzt wurde – anschließende Gleise gab’s ja nicht – war der BVG immerhin klar, mit diesem Provisorium einige Jahre arbeiten zu müssen. In Frankfurt mußten dagegen die Voraussetzungen für einen kurzfristigen Inselbetrieb geschaffen werden, der nichts kosten durfte, flexibel sein mußte und möglichst schnell wieder der Vergangenheit angehören sollte.

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Moderner Fuhrpark

Mit Fertigstellung der Stationen „Musterschule“ und „Glauburgstraße“ kann die Linie U5 zum Ende der Sommerferien wieder in Betrieb genommen werden. Daß dann moderne „U5“-Bahnen fahren, war von Anfang an klar. Im Frühjahr 2017 wird dann der letzte „U5“ ausgeliefert, nach den „U2“- und den „PtB“-Wagen gehen dann auch die „U3er“ in die verdiente Fahrzeugrente. Die VGF hat die „U2“-Wagen 303, 304 und 305 fahrfertig zurück behalten, ebenso den „Pt“ 748 – allerdings ohne die „Blumenkübel“. Auch eine „U3“-Komposition wird im Fuhrpark bleiben.

Bernd Conrads
B.Conrads@vgf-ffm.de
7 KOMMENTARE
  • Ben
    Gepostet am 23:56h, 27 Juli Antworten

    Sehr interessanter Blogeintrag. Da diese Überführungsfahrten ja nicht mehr lange stattfinden hätte ich dazu eine Anregung: Wäre es vielleicht möglich, das ihr eine Führerstandsmitfahrt einer solchen Überführungsfahrt filmt und auf eurem YouTube Kanal uploaded?

  • Bernd Conrads, VGF
    Gepostet am 09:01h, 28 Juli Antworten

    Guter Hinweis. Mal sehen, ob wir das noch hinbekommen. *bec.

  • Tommy
    Gepostet am 09:44h, 28 Juli Antworten

    In der Ferienzeit im 5-Min-Takt? Steht so im Artikel ist aber falsch, ist doch nur ein 7-8-Min-Takt ….. Vor den Ferien gab es mal einen 5-Min-Takt, aber da waren es auch 6 Züge und nicht 5 ! Und der 5-Min-Takt war schon ab 7:00 Uhr, nicht 7:30 Uhr.
    Ab 19:30 Uhr 15-Min-Takt stimmt auch nicht, ist bis 20:30 Uhr ein 7-8-Min-Takt und ab 20:30 Uhr bis 22:00 Uhr ein 10-Min-Takt. Ist ja schon peinlich wenn die VGF ihre Taktung von den eigenen Zügen nicht kennt …….

    • Bernd Conrads, VGF
      Gepostet am 10:01h, 28 Juli Antworten

      Nein, das ist nicht peinlich, sondern schlicht menschlich. Ich habe extra (intern) nach den Takten gefragt, tue das aber gerne nochmal und korrigiere dann auch. *bec.

      • Bernd Conrads, VGF
        Gepostet am 09:07h, 29 Juli Antworten

        Ich habe die Takte – wie angekündigt – korrigiert. In der Tat hat der Kollege den Normalfahrplan erwischt, als ich um Auskunft bat. Nochmals: das ist menschlich, nicht peinlich! Aber danke für den Hinweis, die Angaben sollten ja stimmen, auch wenn’s im zweiten Versuch ist. *bec.

  • Fips
    Gepostet am 14:17h, 28 Juli Antworten

    Es ist zwar später mal richtig, dass das Stück Insellinie mal U5 heißen wird, aber im Moment heißt die Kurz-Linie in Berlin noch U55… 🙂 siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/U-Bahn-Linie_55_(Berlin)

    Aber ganz allgemein: sehr schöner und informativer Blog, macht Spaß zu lesen!

    • Bernd Conrads, VGF
      Gepostet am 14:58h, 28 Juli Antworten

      Danke. Und: stimmt, der kurze Abschnitt heißt (noch) U55. Ich korrigiere das bei Gelegenheit. *bec.

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